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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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in eine Lungenentzündung über; sie fieberte stark, hatte stechende Schmerzen und sah sich schrecklichen Fieberphantasien ausgesetzt, die sie schließlich nur noch als Folter empfand. Immer wieder sah sie Julien vor sich, und in ihren wenigen klaren Momenten hatte sie Angst, in ihrer Verwirrtheit irgendwann laut von ihm zu reden. Helene saß ständig an ihrem Bett, sie hätte alles mitbekommen. Auch Erich kam häufig ins Zimmer; zweimal schrak Beatrice aus peinigenden Träumen auf, weil sich sein Gesicht dicht über ihres neigte. Sie schrie jedesmal wie ein Tier in der Falle, was Erich sehr verletzen mußte, aber er sagte nichts, sondern schien nur sehr besorgt. Einmal, als sie gerade wieder einmal klar denken konnte, hörte Beatrice ihn und Helene in ihrem Zimmer streiten.
    »Es war unverantwortlich, so lange mit ihr da draußen in der Kälte zu stehen«, sagte Helene aufgebracht. Sie bemühte sich, leise zu sprechen, und ihre Stimme klang wie ein erregtes Zischen. »Ich kann nur beten, daß sie am Leben bleibt!«
    »Es war nicht kalt draußen. Es war warm!«
    »Du bist ja verrückt. Das sind deine Tabletten, die dir etwas vorgaukeln. Es war kalt zum Erfrieren. Und naß. Dazu ist sie zart und, wie wir alle, inzwischen ziemlich unterernährt. Sie mußten krank werden! «
    »Ich bin auch krank geworden.«
    »Das war deine eigene Schuld. Und du warst bei weitem nicht so krank wie sie!«
    »Jetzt hör endlich auf und sei leise. Willst du, daß sie aufwacht? «
    Beatrice preßte die Augen zusammen. Die beiden sollten nicht merken, daß sie wach war.
    Dr. Wyatt kam jeden Tag, um nach ihr zu sehen. Häufig bekam Beatrice seine Besuche gar nicht mit, aber manchmal begriff sie, daß er da war. Helene stand direkt neben ihm, so daß sich Fragen nach Julien verboten, doch einmal, in einem schwebenden, halb entrückten Zustand, erwähnte Beatrice ihn doch.
    »Wo ist Julien?« fragte sie.
    Sie erinnerte sich später an die große Hand, die sich ihr blitzschnell
auf den Mund preßte, und an Dr. Wyatts erschrockenes Gesicht.
    »Was hat sie gesagt?« klang Helenes Stimme aus weiter Ferne.
    Wyatt murmelte irgend etwas, was Helene offenbar zufriedenstellte, denn sie hakte nicht noch einmal nach. Die Gefahr war für den Moment gebannt, aber nicht endgültig. Dr. Wyatt war die Erleichterung anzusehen, als er eines Morgens feststellen konnte, daß Beatrice fieberfrei war.
    Es war inzwischen Mitte Februar, ein kalter Wind heulte um das Haus, als Beatrice zum erstenmal nach sechs Wochen ohne Hilfe ihr Bett verließ. Sie lief auf wackligen Beinen umher und war so dünn geworden, daß ihre Kleider wie Säcke an ihr hingen. In ihrem Gesicht wirkten die Augen übergroß, so hager waren ihre Züge geworden. Ihre Haut hatte eine bläulichgraue Farbe, sah krank und fahl aus. Sie wusch ihre struppigen Haare, ohne auch nur eine Spur von Glanz damit hervorrufen zu können. Sie hätte dringend aufgepäppelt werden müssen, hätte Vitamine gebraucht und kräftige, nahrhafte Speisen, aber es gab nichts, und sie mußte hungern und darben wie alle anderen Menschen auf den Inseln auch. Einmal im Monat legte inzwischen ein Schiff des Roten Kreuzes auf den Inseln an und brachte Nahrungsmittel und Medikamente, aber es reichte nie, zu viele hatten die Grippe, zu viele waren alt und schwach. Beatrice hatte noch Glück, weil sie im Haus eines hohen Offiziers wohnte; anders als viele andere Menschen auf den Inseln wurde Erich privilegiert behandelt und bekam Dinge, die andere schon lange nicht mehr erhielten. Aber auch das reichte nicht, um Beatrice wieder auf die Füße zu stellen. Sie war zu lange und zu schwer krank gewesen.
    Die erste blasse Märzsonne verleitete sie endlich dazu, das Haus zu verlassen: Sie sah noch immer aus wie ein Geist, durchsichtig fahl, mit bräunlich umschatteten Augen. Sie bewegte sich mit der Vorsicht eines Menschen, der an die Kraft seines Körpers nicht mehr glaubt. Sie weinte viel, weil sie ihre Schwäche nicht in den Griff bekam, weil sie sich häufig zu elend fühlte, um auch nur ein Buch in die Hand zu nehmen und zu lesen. Entgegen der Anweisung Dr. Wyatts und trotz Helenes händeringenden Protests schleppte sie sich in die Schule, weil sie nicht völlig den Anschluß
verlieren und außerdem wieder eine Struktur in ihren Tagesablauf bringen wollte. Der Versuch endete im Fiasko. Vor Schwäche ohnmächtig kippte sie aus der Bank, ein deutscher Arzt wurde gerufen, ein Krankenwagen brachte sie nach Hause, wo sie zu Helenes

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