Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
vor.«
Alan lehnte sich gegen das Fensterbrett. Er sah bekümmert und nachdenklich aus. »Ich habe Mum viel zugemutet«, meinte er leise. »Für eine Mutter muß es schrecklich sein, ihren Sohn immer wieder im Alkoholrausch zu erleben.«
»Sie erlebt Sie auch anders«, sagte Franca warm, »und im Grunde ist sie sehr stolz auf Sie.«
Er lächelte. »Sie sind ein lieber Mensch, Franca. Weshalb waren Sie nicht bei Kevin? Oder hatte er Sie gar nicht eingeladen?«
»Mein Mann erschien an diesem Tag überraschend auf Guernsey. Er wollte mich zur Rückkehr bewegen, und ich wollte ihn um die Scheidung bitten. Daher brauchten wir den Abend für ein ziemlich brisantes Gespräch.«
»Und?« fragte Alan.
Sie sah ihn an. »Was - und?«
»Kehren Sie zu ihm zurück? Oder lassen Sie sich scheiden?«
»Ich lasse mich scheiden«, antwortete Franca kurz.
Alan nickte, kommentierte dies aber nicht mehr.
»Irgendwie«, sagte Franca, »hinkt Ihre Theorie. Kevin kann an jenem Abend nicht vorgehabt haben, Helene anzupumpen, denn sonst hätte er nicht Beatrice und mich dazu eingeladen.«
»Vielleicht hatte er es nicht vor. Er dachte, er könne nicht immer nur Helene einladen, irgendwann müsse er auch einmal den Rest der Familie einbeziehen. Als er dann aber unerwarteterweise doch mit Helene allein war, nutzte er die Gelegenheit und bat sie erneut um einen Betrag. Helene lehnte ab.«
»Warum sollte sie? Sie half ihm schon lange immer wieder.«
»Irgendwann ist eben Schluß. Helene mag eine Menge Geld gehabt haben, aber vielleicht dämmerte ihr langsam, daß sie auch damit ein bißchen haushalten könnte. Schließlich konnte sie nicht wissen, ob sie irgendwann ein Pflegefall sein und teure Betreuung brauchen würde. Sie zog den Schlußstrich.«
»Hm«, machte Franca und schenkte sich die dritte Tasse Kaffee ein. Sie würde für den Rest des Tages unter Herzrasen leiden, aber sie mochte im Moment nicht verzichten.
»Erinnern Sie sich an die Aussage des Taxifahrers?« fragte Alan, »Helene rief ihn an - aus Kevins Haus. Normalerweise übernimmt diese Aufgabe der Gastgeber, finden Sie nicht? Angeblich war Kevin zu betrunken, aber meine Mutter sagt, er sei ihr sehr wach und klar vorgekommen, als sie später in der Nacht mit ihm telefonierte. Sie hatte nicht den Eindruck, daß da übermäßig viel Alkohol im Spiel war. Der Taxifahrer hatte berichtet, Helene habe ungewöhnlich leise gesprochen und sei verstört gewesen. Sie stand mitten auf der Straße, als er sie abholte. Wir kennen beide Helene. Sie würde nicht am späten Abend allein irgendwo auf einer Straße herumstehen. Sie würde warten, bis der Taxifahrer klingelt. Es sei denn... «
»Was?«
»Es sei denn, sie wurde bedroht. Sie wurde so massiv bedroht, daß sie aus Kevins Haus flüchten mußte. Vielleicht hat sie schon den Anruf heimlich tätigen müssen - und hat deshalb geflüstert. Irgendwie gelang es ihr, an den Telefonapparat zu gelangen und dann heimlich auf die Straße zu entwischen.«
»Abgesehen davon«, sagte Franca, »daß ich mir Kevin beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie er einen anderen Menschen massiv bedroht, finde ich es dann aber wiederum unlogisch, daß er - sollte es wirklich so gewesen sein - seelenruhig abwartet, bis Helene ein Taxi gerufen hat. Und dann kann sie auch noch eine ganze Weile wartend auf der Straße herumstehen, ohne daß Kevin sie sucht und findet. Und halten Sie es nicht im übrigen für eigenartig, daß Helene in einem Fall, wie Sie ihn gerade geschildert haben, dann nicht gleich bei der Polizei angerufen hat?«
Alan lief ein paar Schritte zwischen Fenster und Tisch hin und
her, blieb dann aber wieder am Fenster stehen. Der Regen ließ langsam nach, aber vom Meer her drängten schon wieder neue Wolken heran, und der Wind rüttelte an den tropfnassen Bäumen.
»Ich denke, es war ziemlich typisch für Helene, daß sie in einer solchen Situation zunächst einmal nach Hause wollte. Wenn Kevin sie bedroht hat, dann muß sie völlig verstört gewesen sein. Nie hätte sie so etwas von ihm erwartet. Ich glaube nicht, daß sie sofort an die Polizei gedacht hätte. Kevin war ihr Freund, ihr Vertrauter, eine Art Sohn. Der einzige Mensch, dem sie von dem Geld erzählte, das Erich ihr hinterlassen hat. So schnell hetzt man nicht die Polizei auf den besten Freund. Man will erst einmal nachdenken. Man will versuchen zu begreifen, was geschehen ist.«
Franca hob hilflos die Schultern. »Und jetzt? Was sollen wir tun?«
»Zur Polizei
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