Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
einem stummen Dank für ihren Mut, mit dem sie sich über Erichs Befehl hatte hinwegsetzen wollen. Sein Blick löste irgend etwas in ihr aus, ein seltsames, fremdartiges Gefühl, das sie nicht einzuordnen und zu erklären wußte. Aber ehe sie noch länger darüber nachdenken konnte, kam die Wand aus Watte schon auf sie zu, kroch in ihren Mund und in ihre Ohren, umschloß sie immer dichter und fester und versenkte schließlich alles um sie herum in nachtschwarze Dunkelheit.
Sie lag in ihrem Bett und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Verwundert stellte sie fest, daß sie angezogen war und sogar ihre Schuluniform trug. Wieso war sie damit ins Bett gegangen?
Aber da neigte sich bereits das vertraute Gesicht Dr. Wyatts über sie.
»Na bitte, die junge Dame weilt wieder unter uns. Du hast eine ganze Weile geschlafen, Beatrice. Und zuvor warst du richtig weggetreten. «
»Was ist passiert?« fragte sie und setzte sich hastig auf, aber da wurde ihr schon wieder elend, und sie stöhnte leise.
Eine blasse Helene tauchte sofort aus der Zimmerecke auf. »Hast du Schmerzen?« fragte sie.
»Nein. Mir ist nur schwindelig. Aber es geht schon besser.«
»Ich lasse Tropfen hier, die nimmst du jeden Morgen, dann fühlst du dich bald wieder gesund«, sagte Dr. Wyatt. »Du bist einfach ein bißchen schnell gewachsen in der letzten Zeit, das ist alles. Die Entwicklungsjahre überfordern den Körper manchmal«, fügte er, an Helene gewandt, hinzu, »da kann dann schon mal der Kreislauf schlappmachen.« Er sprach das langsame, sorgfältige Englisch,
mit dem er es ihr erleichterte, ihn zu verstehen. »Dazu das heiße Wetter... lange ist der Juni nicht mehr so heiß gewesen wie in diesem Jahr. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Sie fiel plötzlich einfach um«, sagte Helene, »ich war so aufgeregt, daß ich gar nicht wußte, was ich tun sollte.«
»Es ist ja nichts passiert«, beschwichtigte Dr. Wyatt, »und ich denke auch nicht, daß sich dieser Vorfall allzubald wiederholen wird.« Er klappte seine Tasche zu, blinzelte Beatrice freundlich an und winkte ab, als Helene ihm folgen wollte. »Bemühen Sie sich nicht. Ich finde den Weg. Bleiben Sie ruhig hier oben bei der Patientin. «
»Ein wirklich netter Mann«, sagte Helene, nachdem der Arzt das Zimmer verlassen hatte. »Wie gut, daß wir ihn gleich erreicht haben.« Sie sah sehr erschöpft und außerordentlich beunruhigt aus.
Sie wird das Ganze wieder einmal schrecklich dramatisieren, dachte Beatrice.
»Du bist noch in der Küche wieder zu dir gekommen«, erklärte Helene, »aber du konntest nicht aufstehen. Pierre hat versucht, dich die Treppe hinaufzutragen, aber er war selber so entkräftet... Der Wachmann mußte helfen...« Sie schluckte.
»Ich fühle mich ganz gut«, sagte Beatrice, »mir war manchmal schwindelig in der letzten Zeit, aber noch nie so schlimm wie heute.«
»Du bist hier oben dann sofort eingeschlafen. Ich habe Dr. Wyatt angerufen, und zum Glück konnte er sofort kommen.« Sie seufzte. »Ich hatte solche Angst um dich. Aber Dr. Wyatt scheint das alles in deinem Alter nicht ungewöhnlich zu finden. Meine Güte, was für ein Tag!«
Beatrice war nun endlich ganz wach und registrierte, daß irgend etwas Eigenartiges vorging. Vom Garten herauf klangen Stimmen, Rufe, Geschrei. Türen schlugen, Autos fuhren davon, andere kamen an. Dazwischen bellten wütende Hunde.
»Was ist denn da draußen los?« fragte Beatrice. »Warum ist so ein Lärm?«
»Das muß dich jetzt nicht kümmern«, erwiderte Helene. Sie wirkte hektisch und verstört. »Ich erklärte dir das alles morgen.«
Mit diesen Worten machte sie Beatrice natürlich noch hellhöriger. »Nein. Ich möchte es jetzt wissen. Mir geht es wirklich gut. Ich falle nicht einfach um, egal, was du mir erzählst.«
»Ach«, sagte Helene, »Erich ist natürlich furchtbar wütend... aber ich kann nichts dafür. Es war... es war einfach ein Unglück... du wurdest ohnmächtig, und irgend etwas mußten wir ja tun... wir konnten dich nicht einfach liegen lassen, und... «
»Helene«, unterbrach Beatrice, »was ist passiert?«
Helene sah sie nicht an. »Julien ist weg«, sagte sie leise, » in dem ganzen Durcheinander hat er es geschafft, fortzulaufen. Er ist spurlos verschwunden.«
Die Flucht des Franzosen stellte für Erich einen persönlichen Affront dar, und über Wochen setzte er alle Hebel in Bewegung, Julien aufspüren und zurückbringen zu lassen. Er ließ Besatzungssoldaten über
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