Die rote Agenda
auch im Licht der Enthüllungen Brancas. Der
Sizilianer ahnte seine Gedanken und versuchte ihn zufriedenzustellen.
[184] »Lieber
Lorenzo, wir sind wegen einer Angelegenheit von höchster Wichtigkeit in
Gesellschaft von Don Giorgio, der uns die Ehre erwiesen hat, uns zu treffen.
Man hat mir, wie du weißt, in London einen wertvollen Gegenstand gestohlen.
Nun, Don Giorgio hat ihn wiedergefunden.«
Trapani
wäre fast aus seinem Sessel aufgesprungen. Doch er bewahrte Gleichmut, wie
Branca es auch von ihm erwartete.
»Nun«, fuhr
der Alte fort, »brauchen wir aus diesem Grund jede mögliche Hilfe.« Er sah
Alimante vielsagend an. »Don Giorgio, darf ich Lorenzo erklären, wie die Dinge
stehen?«, fragte er förmlich.
In diesem
Augenblick begriff Matteo Trapani, dass Branca dem Turiner schon einige
wesentliche Informationen über ihn gegeben hatte. Daher beschloss er, bevor
Alimante antworten konnte, die Karten auf den Tisch zu legen.
»Ich kann
mir vorstellen, Don Attilio, dass Ihr mit Don Giorgio schon über mich
gesprochen habt, oder irre ich mich?«
Der Alte
sah ihn bedeutungsvoll an und verzog seine blutleeren Lippen zu einem
zufriedenen Lächeln. Kein Zweifel, dachte er, Matteo Trapani war der würdige
Nachfolger des Fürsten. Vielleicht stellte ihn seine Kaltblütigkeit sogar noch
über den großen Stefano Montano. Die ungeduldige Stimme Alimantes riss Branca
unsanft aus seinen Gedanken.
»Meine
Herren, bitte, wollen wir zum Kern der Sache kommen?«
Doch Branca
hielt weiter seinen Blick auf Trapani gerichtet, bis dieser nickte.
[185] »Ich
bitte Euch, Don Attilio, verfügt nach Gutdünken über mich«, sagte er
schließlich und neigte den Kopf.
Der Alte
schien der Rührung nahe. Er bedeckte die Augen mit seinen hageren runzligen
Händen und blieb einen Moment regungslos. Dann nahm er mit einem Seufzen seine
Hände wieder vom Gesicht und sah Alimante an.
»Don
Giorgio, nun werden wir Lorenzo erklären, was geschehen ist. Dann wird er Euch,
wenn er es für angebracht hält, einige Dinge anvertrauen. Wenn Ihr gegenseitiges
Vertrauen gefasst habt, Don Giorgio, könnt Ihr nicht nur auf Eure immense
Macht, sondern auch auf unsere Hilfe zählen, die angesichts der Umstände von
nicht geringem Wert ist. Wir haben es mit äußerst grausamen und verschlagenen
Leuten zu tun, also müssen wir handeln, doch vor allen Dingen denken wie sie.
Und damit uns das gelingt, müssen wir Sizilianer sein.«
[186] 26
Als
John, der Techniker des Dienstes, das Versteck ortete, wo Verena und Astoni
festgehalten wurden, hatte Alimante noch nichts von sich hören lassen.
»Das macht
nichts, er erfährt es, wenn die Sache erledigt ist«, sagte Ogden zu Stuart.
An die
Männer gewandt, fuhr er fort: »John, du bleibst mit Alan hier, in ständigem
Funkkontakt mit uns. Franz, Bruno und Caspar begleiten Stuart und mich. Lasst
uns das Notwendige vorbereiten und uns beeilen.«
Wenige
Minuten später verließen die Agenten das safe house und stiegen in zwei Wagen: Franz, Stuart und Ogden in den BMW , Bruno und Caspar in einen Mercedes Minibus, den
ihnen Alimante zur Verfügung gestellt hatte.
Der über
Satellit geortete Unterschlupf der Entführer lag seltsamerweise in der Nähe des
Viale Regina Margherita, mitten im Zentrum. Sie parkten nicht weit von der
Hausnummer, die das Instrument ihnen angezeigt hatte.
Der Palazzo
aus dem 19. Jahrhundert war zwar nicht gerade baufällig, doch in einem
ausgesprochen schlechten Zustand. An der Fassade war ein Gerüst angebracht,
aber auch das schien außer Gebrauch, als hätte man die Restaurierung schon vor
einer Weile aufgegeben.
Das Tor aus
morschem Holz gab beinahe augenblicklich [187] nach, als Caspar, der mit einem
Bolzenschneider ausgerüstet war, die Kette durchtrennte, von denen die beiden
Flügel zusammengehalten wurden. Sie kamen in einen von einer schmutzigen
Deckenlampe schwach erleuchteten Hausflur und fanden sich dann, nachdem sie
eine rostige Gittertür hinter sich gebracht hatten, in einem weiten
quadratischen Hof wieder.
»Ganz schön
eigenartig hier…«, murmelte Franz. »Ist euch die Neigung des Pflasters
aufgefallen?«
Stuart
nickte. »Darunter müssen die unterirdischen Gänge sein, für die Turin bekannt
ist. Lasst uns weitergehen, das Signal zeigt an, dass wir den Hof überqueren
müssen.«
Es war
stockdunkel, die Männer benutzten Nachtsichtgeräte, damit sie nicht durch
Taschenlampen verraten würden. Auch im Hof wurden die alten Mauern von
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