Die rote Agenda
Gerüsten
gestützt, ein paar Schilder warnten vor Einsturzgefahr.
»Dort unten
ist ein Eingang«, erklärte Stuart. »Los, das Signal ist stärker geworden.«
Sie gingen
durch eine Tür, die nur angelehnt gewesen war, und bogen in einen Gang ein, der
immer abschüssiger wurde, mussten aber nach wenigen Metern stehen bleiben, weil
der Durchgang durch ein Gittertor versperrt wurde, hinter dem man eine Treppe
erkennen konnte.
Bruno
zeigte auf die Eisenstäbe. »Das Gitter ist nicht verrostet, jemand hat sich
sogar die Mühe gemacht, die Angeln zu ölen.«
Nachdem sie
das Tor geöffnet hatten, gingen sie die Treppe hinunter und betraten einen
kreisförmigen Raum mit einem Boden aus schönen, strahlenförmig angeordneten
Steinplatten. Von hier gingen mehrere enge, dunkle Gänge ab, deren [188] Ende man
nicht sehen konnte, doch zu ihrer Rechten gab es eine Metalltür, die neu war
und glänzte. Plötzlich wurde diese Tür geöffnet, und man sah die Silhouetten
zweier Männer im Gegenlicht.
Die Agenten
des Dienstes stürzten sich aus dem Dunkel auf sie und setzten die beiden, die
offensichtlich nichts Derartiges erwartet hatten, außer Gefecht. Gleichzeitig
drangen Stuart und Ogden, die Pistolen im Anschlag, in das Zimmer ein und
überraschten den dritten Entführer, der auf einem Feldbett lag.
Der Mann
setzte sich auf und hob den linken Arm zum Zeichen, dass er sich ergab; am
rechten trug er einen Verband bis zur Schulter – Franz hatte ihn also bei der
Entführung getroffen.
Franz und
Caspar hatten den beiden anderen Männern inzwischen schon Handschellen angelegt
und schoben sie in das Zimmer. Der Raum war groß, kahl und weiß getüncht; die
Einrichtung bestand aus drei Feldbetten, einem Kühlschrank, einem Tisch und
einer Belüftungsanlage. Gegenüber der Tür, durch die sie hereingekommen waren,
gab es eine zweite, identische Tür.
Wie von
Stuart vermutet, befanden sie sich in jenem Netz aus Gängen im Untergrund von
Turin, das so groß wie die Stadt und zu einem guten Teil noch unerforscht war:
dunkle und geheimnisvolle Räume, die aus der Zeit der Römer und dem Mittelalter
stammten, im Laufe der Jahrhunderte als militärische Anlagen, Fluchtwege,
Behausungen und Verstecke genutzt worden waren und im Zweiten Weltkrieg der
Stadtbevölkerung als Bunker gedient hatten.
Franz und
Caspar bugsierten die beiden mit [189] Handschellen gefesselten Entführer neben
den Verletzten aufs Feldbett.
Ogden
wandte sich an den Mann mit der weißen Strähne. »Gib mir den Schlüssel«, sagte
er und zeigte auf die Tür hinten im Zimmer. Der Mann musterte ihn verächtlich
und machte nur eine Kopfbewegung Richtung Tisch.
Ogden
verzog die Lippen zu einem Lächeln, ging näher zu ihm hin, packte ihn am Hals
und drückte ihm die Halsschlagader so lange zu, bis sein Gesicht hochrot
angelaufen war.
»Antworte,
wenn ich dich etwas frage«, zischte Ogden, wenige Zentimeter vom Gesicht des
Mannes entfernt. Dann, als dieser anfing, die Augen zu verdrehen, ließ er ihn
wie eine leblose Puppe auf seinen Platz zurückfallen und holte sich den
Schlüssel.
Bevor er
die Tür aufschloss, sagte er zu Bruno: »Durchsuch das Zimmer, wir nehmen alles
mit.«
Als Verena
und Astoni das Geräusch des Schlüssels im Schloss hörten, sahen sie sich
erschrocken an. Doch als Ogden in der Tür erschien, stürzte Verena sofort auf
ihn zu.
»Wie geht
es dir?«, fragte er und umarmte sie.
»Gut. Aber
ich hätte es nicht mehr lange geschafft, die Angst in Schach zu halten.«
Paolo Astoni trat näher. »Mein Gott, wie schön, Sie wiederzusehen!«, rief er
aus und ergriff seine Hand. »Wie ist es euch gelungen, uns so schnell zu
finden?«
Das war
eine Frage, auf die Ogden am liebsten gar nicht geantwortet hätte.
»Darüber
reden wir später, jetzt wollen wir sehen, dass wir von hier wegkommen.«
[190] Auch
Stuart umarmte Verena und drückte Astoni die Hand, während die anderen Agenten,
damit beschäftigt, die Entführer zu bewachen, sie mit einem Kopfnicken grüßten.
»Irgendetwas
gefunden?«, fragte Ogden Bruno.
Der Agent
nickte. »Ich habe alles eingesammelt«, sagte er und hielt eine Nylon-Tasche
hoch. »Viel ist es nicht, das hier ist sicher nicht ihr Hauptquartier.«
»Lasst uns
gehen«, drängte Stuart. »Der Auftraggeber dieser drei könnte jeden Moment
auftauchen.«
Sie schoben
die drei Entführer nach draußen, und als alle den Raum verlassen hatten,
schlossen sie die Tür wieder ab und gingen den gleichen Weg zurück, bis
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