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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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nicht
aufgefallen wäre, dass er es sich, obwohl Verena diese Geschichte gesund und
wohlbehalten überstanden hatte, nicht verzeihen konnte, sie in eine solche
Gefahr gebracht zu haben. Und das war nicht seine Art.
    »Irgendetwas
nicht in Ordnung?«, versuchte er das Terrain zu sondieren.
    »Nein,
alles okay«, antwortete Ogden zu schnell.

[214]  30
    Im
Umkreis von drei Kilometern wurde der Besitz der Alimantes von einem massiven
Aufgebot an Security überwacht, um die Sicherheit und Privatsphäre der
wichtigen Persönlichkeiten zu schützen, die der Italiener für dieses
Spitzentreffen einberufen hatte. Auch das Personal war für die vierundzwanzig
Stunden des Treffens ausgetauscht worden, und die Umgebung, einschließlich des
kleinen Dorfs in den Piemonteser Alpen, wurde von Hubschraubern und zwei
privaten Satelliten überflogen.
    Ein kleiner
Kreis von Mitgliedern der europäischen Elite sollte über die politische
Strategie in Hinblick auf Italien befinden. Die letzten Ereignisse hatten eine
Diskussion darüber dringlich gemacht.
    Die
Teilnehmer kamen aus Frankreich, Spanien, England, Belgien und Deutschland.
Vertreter anderer Länder würden in einer Videokonferenz zugeschaltet, wenn
Alimante dies für angebracht hielte. Es ging um sein Land, und er bestimmte die
Vorgehensweise.
    Die Gäste,
versammelt in dem riesigen Festsaal im ersten Stock, saßen an einem langen
ovalen Tisch, und über sie wachten die zahlreichen Porträts der Ahnen
Alimantes.
    Aus
Höflichkeit und weil er der Älteste war, erhielt als Erster Juan de La Vega das
Wort, eine der einflussreichsten [215]  Persönlichkeiten Spaniens. Der Spanier, ein
kleiner Mann um die siebzig mit einem freundlichen Äußeren, schlohweißem Haar
und einer rosigen Gesichtsfarbe, lächelte in die Runde und räusperte sich
schließlich.
    »Meine
Herren, wir sind hier, um eine schnelle und effiziente Lösung für das Problem
Italien zu finden. Ich will jedoch mit der Analyse einiger Aspekte dieses
Landes beginnen, das im Vergleich zum übrigen Europa und zur ganzen Welt völlig
anders funkioniert und doch für uns so wichtig ist. Ich spreche aus dem
Stegreif, denn es soll, wenigstens was mich betrifft, eine Unterhaltung unter
Freunden werden, bei der nicht geurteilt und verurteilt wird. Und dann dürfen
wir auch nicht vergessen, dass wir schon andere Male, in der Vergangenheit,
über das Schicksal dieser Nation entschieden haben.«
    Der Spanier
machte eine Pause, zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort: »Das Erste,
was ich hervorheben möchte, mag von marginaler Bedeutung erscheinen, doch ich
meine, es handelt sich dabei um einen der Gründe für das, was augenblicklich
überall und nicht nur in Italien geschieht. Seit einiger Zeit ist das
Leistungsprinzip in jedem Bereich durch Klientelismus ersetzt worden. Dies hat
eine Gesellschaft kriecherischer Untertanen geschaffen, die sich nicht einmal
für unsere Zwecke als wünschenswerte Bürger erweisen. Und das alles, weil Leute
an die Macht gelangen konnten, denen es an kultureller Tradition und
bürgerlicher Verantwortlichkeit fehlt und die gierig bis zur Dummheit sind.
Vulgäre Neureiche mit riesigen Vermögen, die sie zum großen Teil der
organisierten Kriminalität verdanken. Wir von der Elite müssen Selbstkritik
üben, denn die Verantwortung [216]  für all dies liegt bei uns, verfügen wir doch
schließlich über die absolute Macht und haben es solchen Leuten, die früher
einfache Untergebene auf der untersten Stufe waren, ermöglicht, dort
anzukommen, wo sie sind. Auch im übrigen Europa und in Nord- und Südamerika
gibt es seit einer Weile ein ähnliches Phänomen, wenn auch in kleinerem Umfang
und anders geartet. Italien ist vom Süden und speziell von Sizilien geprägt,
einst Wiege der mediterranen Zivilisation und heute – leider – Ursache ihres
Untergangs«, der Spanier schüttelte bekümmert den Kopf. »Es ist ein
jahrhundertealtes Erbe, denn als im übrigen Europa der Feudalismus schon als abgeschlossenes
Kapitel in die Geschichtsbücher eingegangen war, war er in Süditalien bis
Anfang des 20. Jahrhunderts noch aktuell. Heute, ausgelöst durch die
verheerende Wirtschaftskrise, erleben wir die Auslöschung der Mittelschicht,
unserer besten Untertanen, zugunsten einer Führungsklasse, die es zugelassen
hat, dass der Staat stirbt, erstickt durch Korruption und Misswirtschaft der
Regierung. Die Zahl der Armen ist übermäßig angestiegen, während der Profit des
Großkapitals astronomische

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