Die rote Agenda
hinein.
Beleidigt
sah Partanna ihn an: »Attilio Branca ist ein Ehrenmann, er hätte niemals
geredet. Doch diese Leute wissen viele Dinge, und der Senator wird verstanden
haben, auf wen Don Attilio sich bezog. Er kennt zwar vermutlich nicht Euren
Namen, aber mit Sicherheit das, wofür Ihr steht.«
Alimante
grinste. »Umso besser. Der Senator wird bald bestätigt bekommen, was er schon
weiß. Nämlich dass die Mafia dem, der die Absicht hat, die Ordnung im Land
umzustürzen, ein Heer tausender bewaffneter Männer, die garantiert vollkommenes
Stillschweigen wahren, beschaffen kann. Diesmal jedoch wird er auf der falschen
Seite stehen. Der Spieß wird umgedreht.«
Partanna
warf Alimante einen flehentlichen Blick zu. »Ich bitte Euch, lasst mich dabei
mitmachen, diese Bastarde zu vernichten!«
Alimante
lächelte und schüttelte den Kopf. »Jetzt kümmern Sie sich erst einmal darum,
wieder gesund zu werden. Ich werde Matteo Trapani sagen, dass er immer auf Ihre
Mitarbeit zählen kann. In Ordnung?«
Partanna
stand auf, und bevor Alimante sich entziehen konnte, ergriff er seine Hand und
küsste sie. »Gott segne Euch, Don Giorgio, ich werde Euch für immer dankbar
sein.«
Zum ersten
Mal, seit sie mit ihm zu tun hatten, erlebten Ogden und Stuart, wie Alimante
errötete und ihn ein fast greifbares Unbehagen befiel. Er zuckte zurück und
befreite seine Hand aus dem Griff Partannas, als hätte der die Lepra.
»Beherrschen
Sie sich. Und vergessen Sie eines nicht: Sie haben mich nie auch nur getroffen.
Ist das klar?«
[237] Salvatore
Partanna nickte verlegen. »Entschuldigt, Don Giorgio. Und seid unbesorgt, ich
habe nie die Ehre gehabt, Euch kennenzulernen.«
»Gut.
Kümmern Sie sich nun um Don Attilio. Ich habe mit den Ärzten gesprochen. Er
wird es überstehen. Wenigstens für die Zeit, die ihm noch bleibt.«
[238] 33
Elisabetta
Malacrida war im Garten und schnitt gelbe Rosen, die mochte sie am liebsten.
Das tat sie oft, denn es entspannte sie, sich ab und zu um ihren Rosengarten zu
kümmern, den sie vor Jahren selbst angelegt hatte. Einmal hatte sie sogar an
einer Ausstellung teilgenommen und einen Preis gewonnen.
Es war fast
Mittag und heiß. Sie legte die Schere hin und ging einen kalten Tee trinken,
den ihr die Haushälterin auf den Korbtisch gestellt hatte.
Seit dem
Geburtstagsfest hatte Betta ihren Mann kaum zu Gesicht bekommen. Sie war an die
zahlreichen Reisen Lorenzos gewöhnt, doch in letzter Zeit waren es immer mehr
geworden. Er war beinahe nie zu Hause, und sie kommunizierten hauptsächlich
übers Telefon miteinander. Sicher, die weltweite Wirtschaftskrise war auch für
Leute wie sie sehr besorgniserregend, und vielleicht musste Lorenzo mehr als
üblich arbeiten. Und doch, als sie ihn vor ein paar Tagen gefragt hatte, ob er
wegen der Kurseinbrüche an der Börse beunruhigt sei, hatte er sie mit einem
seltsamen, halb amüsierten, halb nachsichtigen Lächeln angesehen.
»Mach dir
keine Sorgen«, hatte er gesagt und ihre Wange gestreichelt. »Für uns besteht
keine Gefahr. Denk nicht mehr daran.«
[239] Nach
einigen Augenblicken des Schweigens hatte er dann, fast als spräche er zu sich
selbst, gemurmelt: »Wir haben so viel Gold, dass Fort Knox uns beneidet. Früher
oder später werden diese Trottel darum betteln, dass wir ihnen etwas davon
abgeben.«
Betta hatte
um keine Erklärung gebeten, auch wenn sie nicht verstand, wie diese Krise, die
alle für schlimmer als die von 1929 hielten, ihren Mann gleichgültig lassen
konnte. Viele große Unternehmen in Italien und der Welt schlossen ihre Tore,
die Banken brachen reihenweise zusammen, die Vereinigten Staaten waren dem
Bankrott nahe, in Europa drohte eine massive Rezession, doch Lorenzo schien
sich keine Gedanken zu machen.
An diesem
Morgen hatte sie, da sie sich noch einsamer als sonst fühlte, beschlossen, dem
Rat ihrer Freundin Anna zu folgen und ein Medium aufzusuchen, das in der Stadt
einen ausgezeichneten Ruf hatte.
Zu den Klienten
der Frau, einer Turinerin aus guter Familie, zählten viele bedeutende
Persönlichkeiten, die aus ganz Italien und – so wurde gemunkelt – auch aus dem
Ausland kamen, um sie zu konsultieren.
Betta hatte
nie an Kartenleger, Astrologen und Wunderheiler geglaubt, doch als sie Anna
ihre Sorgen anvertraute, rühmte ihre Freundin die Gaben der Frau so sehr, dass
sie an diesem Tag, da sie sich besonders unruhig fühlte, beschloss, das Medium
anzurufen, und sei es nur, um ihre Zeit auszufüllen. Die Frau gab ihr
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