Die rote Agenda
sprechen.
»Haben Sie
ein Foto Ihres Mannes mitgebracht?«, fragte sie.
»Ja,
gewiss. Anna hat mir gesagt, dass wir das brauchen werden.« Betta holte einen
Schnappschuss aus der Tasche, der im letzten Sommer bei einem Urlaub in Korsika
gemacht worden war.
Angela nahm
das Foto, betrachtete es kurz, und eine feine Falte erschien zwischen ihren
Augenbrauen.
»Nehmen Sie
bitte die Schüssel dort und stellen Sie sie hierher.«
[243] Betta
sah eine mit Wasser gefüllte silberne Schüssel, die sie vorher nicht bemerkt
hatte, nahm sie und stellte sie neben die Frau.
»Haben Sie
eine Kopie von diesem Foto? Denn ich werde es ins Wasser tauchen müssen.«
Betta
nickte. »Tun Sie das ruhig. Es ist nur ein Schnappschuss, ich habe bessere.«
Angela
nickte und ließ das Foto ins Wasser fallen. Es sank sofort auf den Boden der
Schüssel, ohne auch nur für eine kurze Zeit zu schwimmen, wie es die Gesetze
der Physik eigentlich gefordert hätten.
Die Frau
nickte, als hätte sie dieses Ergebnis erwartet, dann schwieg sie lange, den
Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Schließlich schaute sie wieder hoch und
sah Betta an.
»Es tut mir
leid, aber es ist kein gutes Zeichen, dass die Fotografie sofort gesunken ist.
Ihr Mann hütet ernste Geheimnisse, die er vor Ihnen verbirgt. Doch es handelt
sich nicht um dumme Frauengeschichten, wenn Sie das befürchten.«
»Um was
dann?«, fragte Betta beunruhigt.
Angela
schenkte ihr einen verständnisvollen und gleichzeitig mitleidigen Blick.
»Sie kennen
Ihren Mann nicht, eigentlich kennt ihn niemand wirklich. Er ist ein mächtiger
und gefährlicher Mann, doch auf seine Art ist er Ihnen sehr zugetan und wird
Ihnen nie etwas Böses antun. Jedenfalls nicht die Art Böses, die er für andere
bereithält. Diese Phase wird außerordentlich schwierig sein, etwas Schlimmes
und Gefährliches steht bevor, und es wird viele Menschen betreffen. Es wird
bald [244] geschehen, also rate ich Ihnen, Turin zu verlassen und sich von Ihrem
Mann zu entfernen, wenigstens bis alles vorbei ist.«
»Mein Gott,
ist Lorenzo in Lebensgefahr?«, fragte Betta erschrocken.
»Das glaube
ich nicht, auch wenn er von viel Gewalt umgeben ist. Ich sehe jedoch einen
möglichen Bruch zwischen Ihnen beiden. Und wenn der eintritt, sind Sie es, die
ihn verlässt.«
»Aber ich
will ihn nicht verlassen!«, protestierte Betta.
Die Frau
nickte. »Ich weiß. Jetzt noch nicht. Ihr Mann braucht Sie mehr, als Sie ihn
brauchen. Trotz seiner Macht ist er ein schwacher Mensch, wie alle, die nicht
mehr wissen, dass sie eine Seele haben.«
»Was soll
ich tun?«, fragte sie, ohne ihre Angst verbergen zu können.
Die Frau
ergriff Bettas Hand und drückte sie, als wollte sie ihr Mut machen. »Es tut mir
leid, ich weiß, dass meine Worte Ihnen weh tun. Leider führt Ihr Mann ein
Doppelleben, doch dies ist nicht der richtige Augenblick, die Wahrheit
aufzudecken. Wenn der Sturm vorbei ist, können Sie entscheiden, ob Sie bei ihm
bleiben oder ihn verlassen wollen. Haben Sie keine Angst, Ihnen wird nichts
Schlimmes geschehen; doch bevor die Dinge nicht geregelt sind, ist es wichtig,
dass Sie weggehen.«
Als Betta
das Haus des Mediums verließ, war ihr Herz voller Angst. Sie verwünschte den
Augenblick, als sie Annas Rat gefolgt war. Doch die Worte der Frau gingen ihr
weiter durch den Kopf, während sie auf dem Nachhauseweg durch Turin fuhr.
[245] Sie
stand an einer Ampel an der Piazza Vittorio Veneto, als ihr Handy läutete. Ihr
Herz machte einen Sprung. Als sie die Stimme ihres Mannes hörte, löste sich die
Spannung, die sie bis zu dem Moment gequält hatte.
»Hallo
Schatz, was machst du gerade?«, fragte er in dem heiteren Ton, den er immer für
sie bereithielt.
»Ich bin in
der Stadt, aber auf dem Rückweg nach Hause«, antwortete Betta und bemühte sich,
ebenso unbekümmert zu klingen.
»Warst du
einkaufen?«
»Ja, aber
ich habe nichts Schönes gefunden«, antwortete sie und wurde sich bewusst, dass
sie ihren Mann zum ersten Mal anlog. »Und wo bist du?«
»In Rom. Es
gab ein kleines Problem, nichts Wichtiges, aber ich muss ein paar Tage
hierbleiben, um mich mit einigen Politikern zu treffen. Egal, ich bin im Villa
Medici abgestiegen, für den Fall, dass du mir eine dringende Nachricht
hinterlassen musst. Ich sitze oft in Konferenzen und muss das Handy
ausschalten. Was hast du heute Abend vor?«
»Ich weiß
nicht, vielleicht gehe ich ins Kino. Ich wollte dich auch anrufen, um dir zu
sagen, dass ich eventuell Elvira an
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