Die rote Agenda
erfahren, dass Sie nicht das Original in Händen haben«, fügte er
mit einem leichten Lächeln hinzu.
Der Chefredakteur
nahm die Blätter und ging sie rasch durch. Sein Gesichtsausdruck änderte sich
bei der Lektüre nicht. Als er fertig war, legte er die Papiere vor sich hin und
blickte die beiden Agenten an.
»Ich bin
verblüfft«, murmelte er, wobei diese Worte im Widerspruch zu seiner
gleichmütigen Miene standen.
»Tja«,
meinte Stuart. »Und jetzt werden wir Ihnen sagen, was im Land passiert, sobald
Sie den Inhalt dieser Papiere veröffentlichen, und welche Linie Ihre Zeitung
einhalten muss.«
Es ärgerte
ihn, diesen Mann aus seiner verdienten Verlegenheit befreien zu müssen, doch
Alimante hatte darum gebeten, anständig mit ihm umzugehen, also gab er sich
Mühe. »Wie wir alle werden auch Sie froh sein, dass die Verantwortlichen für
diese Verbrechen endlich bestraft werden, und im Grunde ist es unwichtig, wie
das geschieht. In einer Demokratie«, er machte eine Pause, weil es ihn
anwiderte, dieses Wort zu gebrauchen, das inzwischen jede Lüge deckte, »kommt
die Wahrheit früher oder später immer ans Licht, und oft, wie in diesem Fall,
heiligt der Zweck die Mittel. Also müssen Sie sich nicht unbehaglich fühlen und
können sich mit dem Gedanken trösten, dass Ihr Renommee ins geradezu
Unermessliche steigen wird.«
Der
Chefredakteur sah zuerst Stuart, dann Ogden an und nickte schließlich. Das
Zauberwort hatte seine Wirkung getan, jetzt würde er sich daran klammern
können.
[256] »Es
freut mich immer, im Namen der Demokratie tätig werden zu können«, murmelte er.
Und er schien tatsächlich überzeugt.
Ogden
musterte ihn verstohlen und dachte, dass er ein fähiger Politiker war,
vielleicht auch ein Dummkopf; das eine schloss das andere nicht aus. Seinem
Blick war die Befriedigung abzulesen: Dieser Scoop würde garantiert in die
Geschichte eingehen und sein hoher Marktwert noch einmal nach oben schnellen.
Daraus würden sich für ihn sehr viele Vorteile ergeben, so dass er die
Demütigung durch diese beiden Spione gelassen hinnehmen konnte. Die Rechnung
würde zum Schluss auch für ihn aufgehen.
Während
Stuart dem Chefredakteur erklärte, wie er vorgehen sollte, erinnerte Ogden sich
daran, was Alimante über diesen Mann gesagt hatte: »Seine politische Laufbahn
ist schon vorgezeichnet, und sie wird kometenhaft sein.«
[257] 36
Sie
waren gerade erst nach Turin zurückgekehrt, als Ogden eine SMS erhielt: Sergej Tamarow, der Trainer Korolenkos,
bat darum, ihn dringend anzurufen.
Ogden
verließ den Technikraum, wo Stuart in einer Videokonferenz mit Alimante
verbunden war, und rief den ehemaligen Spion des KGB an. Er meldete sich nach dem ersten Klingelzeichen.
»Ich habe
interessante Neuigkeiten«, rief der Russe aus. »Doch zuerst möchte ich dich um
eine Bestätigung bitten. Bei uns geht das Gerücht, dass sich in Italien bald
etwas Wichtiges tun wird. Stimmt das?«
»Mag sein.
Kannst du etwas präziser werden?«, fragte Ogden nach.
»Großreinemachen.
Wachablösung, von unten nach oben und umgekehrt. Meinst du, es ist besser,
Evgenij und ich machen uns davon?«
»Wann
wolltet ihr abreisen?«
»In ein
paar Tagen.«
»Kein
Problem.«
Der Russe
räusperte sich. »Danke. Und nun die Information für dich. Nach unserer
Begegnung haben Evgenij und ich das Hotel gewechselt. Das Zimmer im Principi di
Piemonte war nur für die Zeit der Eiskunstlaufgala reserviert. [258] Weil wir die
Absicht hatten, uns noch ein wenig in Turin aufzuhalten, sind wir in ein Hotel
am Lingotto umgezogen. Am Vormittag habe ich, als ich auf dem Balkon meines
Zimmers eine gute Zigarre rauchte, auf dem Balkon neben-an einen alten Halunken
gesehen, dessen Dossier ich gut kenne, nämlich einen pensionierten
italienischen Politiker, der bekannt dafür ist, dass er dem neugewählten
Präsidenten der Republik sehr nahe steht. Das hat mich neugierig gemacht, ich
habe ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, dass er sich mit zweifelhaften
Leuten umgibt. Meiner Ansicht nach muss ein so hohes Tier einen wichtigen Grund
dafür haben, wenn er etwas Derartiges riskiert.«
»Was für
zweifelhafte Leute meinst du?«
Tamarow
unterdrückte ein Lachen. »Na die, mit denen der Dienst sich gerade beschäftigt,
mein Freund.«
Ogden
wunderte sich nicht zu hören, dass man in Russland schon auf dem Laufenden
darüber war, was sich in Italien tat. Wladimir Sablin, zuerst Präsident und nun
Ministerpräsident der Russischen
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