Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Weiße und Kalte unter seinen Füßen zog ihn an. Die Erde begehrte ihn, sie wollte ihn haben.
    - Er kann da nicht stehen bleiben, sagte Alma. Sonst erfriert er.
    Edvin schüttelte den Kopf.
    - Wie soll man verstehen, was er denkt? Dann ging er durch das Weiße zu Daniel hin.
    - Du kannst bei Frost nicht barfuß herumlaufen, sagte er. Fühlst du nicht, wie alles friert?
    Daniel zitterte am ganzen Körper. Er versuchte, sich still zu halten, aber es gelang ihm nicht.

    - Jetzt gehen wir hinein, sagte Edvin.
    Er griff nach Daniels Hand. Aber Daniel rührte sich nicht vom Fleck. Am Küchenfenster sah Daniel die beiden Mägde und den Knecht, die gerade beim Frühstücken waren. Jetzt starrten sie neugierig auf das, was draußen auf dem Hof vorging.

    - Du mußt ihn ins Haus tragen, sagte Alma.
    - Er muß gehorchen lernen. Wenn wir ihm sagen, er soll hineingehen, dann muß er das tun. Ich begreife nicht, wieso er keine Schuhe an den Füßen haben will.
    - Was spielt es für eine Rolle, was du begreifst oder nicht? Er kann nicht einfach dastehen und erfrieren.
    Edvin nahm Daniel in die Arme und trug ihn ins Haus. In der Küche wickelte Alma ihn in eine Decke und fing an, ihm die Füße zu massieren. Sie hatte starke Hände. Daniel mochte es gern, wenn sie ihn fest anpackte. Es war fast so, als wären es Bes Hände, die ihn berührten.
    - Was hat er draußen gemacht? fragte die Magd, die Serja hieß und aus Polen stammte. Sie sprach ein sehr unbeholfenes Schwedisch. Mehrmals hatte Daniel gehört, daß Alma sie schalt und sagte, sie sei faul. Sie solle sich ein Beispiel an Daniel nehmen, der schon viel besser sprechen könne als sie. Und dabei sei er schwarz und käme von weit her.

    - Schwatz nicht soviel, sagte Edvin. Die Kühe warten. Die Mägde und der Knecht verschwanden. Alma knetete Daniels Füße. Edvin saß auf einem Stuhl am Holztisch und starrte auf seine Hände.
    Daniel schaute ins Feuer. Tief da drinnen zwischen den Flammen war eine andere Welt. Er konnte Be und Kiko sehen, er konnte die Schlangen sehen, die durch den Sand glitten, da waren die Wolken und der Regen und der Felsen, an dem die Antilope mitten im Sprung erstarrt war.
    Dieser Gedanke ließ ihn zusammenzucken. Die Antilope war an der Felswand mitten in ihrem Sprung steckengeblieben. Auf die gleiche Weise, wie er selbst beinah in dem Weißen festgefroren wäre, das den Boden bedeckte. Das mußte bedeuten, daß die Götter ganz in seiner Nähe waren. Irgendwo unter seinen Füßen. Sie waren es, die an ihm gezogen hatten und ihn langsam aus einem Menschen in ein Bild hatten verwandeln wollen, das in eine Felswand geritzt war.

    Er riß sich von Alma los, warf die Decke ab und rannte wieder hinaus auf den Hof. Jetzt zog er auch seine Kleider aus, und er stand nackt da draußen, als Alma und Edvin ihn endlich einholten. Daniel sträubte sich, als Edvin ihn packte. Aber Edvin war stark. Er hob Daniel hoch und trug ihn hinein. Daniel versuchte ihn in den Hals zu beißen, aber Edvin hielt ihn von sich weg, so daß er nicht an ihn herankam. Er stellte Daniel neben dem Feuer auf den Boden.
    - Jetzt verläßt du das Haus nicht mehr, brüllte er. Nicht ohne Kleider, nicht ohne Schuhe. Du wohnst hier, wir haben die Verantwortung für dich, bis Bengler wiederkommt. Daniel antwortete nicht. Er wußte, daß Vater nicht mehr zurückkommen würde. Gle ichzeitig sah er ein, daß Edvin ihn womöglich schlagen würde, wenn er noch einmal hinausrannte. Und das wollte er nicht. Er ließ zu, daß Alma ihn in die Decke packte und wieder anfing, ihm die Füße zu massieren.

    - Wenn ich doch nur irgend etwas begreifen würde, sagte Edvin, der sich wieder auf den Stuhl gesetzt hatte. Aber ich kann nicht in seinen Kopf hineinsehen.
    - Wir haben die Verantwortung übernommen, sagte Alma. Da spielt es keine Rolle, was wir begreifen oder nicht.

    - Aber wie soll man ein Kind erziehen können, das man nicht versteht?

    Alma antwortete nicht. Daniel dachte daran, daß er das einzige Kind im Haus war. Alma und Edvin hatten keine eigenen Kinder, obwohl sie schon langsam alt wurden. Vielleicht waren die Kinder schon gestorben, oder sie waren so groß, daß sie weggegangen waren. Er hätte es gern gewußt. Aber noch hatte er nicht den Mut gehabt zu fragen.
    - Wir müssen mit dem Pastor reden, sagte Alma. Vielleicht kann der uns einen Rat geben.

    - Was kann Hallen schon begreifen, was wir nicht verstehen?
    - Er ist immerhin Pastor.

    - Er ist ein schlechter Pastor. Manchmal frage ich

Weitere Kostenlose Bücher