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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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die Wendeltreppe rechts herum nach oben windet und er den
Schild als Rechtshänder somit immer nutzlos hinter dem Schwertarm haben würde.
Die Burg ist hervorragend auf Verteidigung ausgelegt. Nur sind sie gerade
leider in der angreifenden Position. Malcoms Widersacher über ihm schlägt
erbarmungslos auf ihn ein. Er hat ausschließlich strategische Vorteile. Doch
gegen zwei Gegner ist auch er machtlos. Als ihm Joan die Klinge unter Malcoms
Deckung schräg nach oben in den Oberschenkel rammt, ist es Malcom drauf ein Leichtes,
ihn zu Fall zu bringen. Sie steigen über ihn hinweg weiter treppauf und
erreichen endlich den ersten Stock. Atemlos stemmt Joan die Hände in die
Seiten, wird jedoch von Malcoms nachdrängenden Männern unaufhaltsam nach vorn
gefördert. Aus der Großen Halle dringen ihnen Kampfgeräusche entgegen. Malcom
behält einen kühlen Kopf, sammelt seine Männer vorerst in der Vorhalle. Leise
erteilt er ihnen Anweisungen. John schickt er hoch zu den Kemenaten im zweiten
Stock, gibt ihm zehn Männer zur Seite. Weitere fünf sollen die dritte Etage
einschließlich der restlichen Winkel und des hölzernen Wehrganges durchkämmen.
Ruppig ergreift er Joans Handgelenk und zerrt sie neben sich. „Du solltest Brix
lediglich herbeischaffen, nicht das Wagnis eingehen, auf ihm eine Bresche zu
schlagen, verdammt noch mal“, zischt er sie unter mühsamer Selbstbeherrschung
an und stößt sie Amál in die Arme. „Du bist mir persönlich für ihre Sicherheit
verantwortlich“, herrscht er ihn an.
    Amál nickt. Sein dunkles
Gesicht wirkt dabei eigentümlich bleich. Einer eisernen Fessel gleich legt sich
seine Pranke um Joans Handgelenk.
    „Du brauchst doch jede Hand,
die ein Schwert führen kann“, ruft sie Malcom unbeherrscht nach, sieht ihn, zu
gezwungener Untätigkeit verdammt, besorgt in der Halle verschwinden. Wütend
reißt sie an ihrem Handgelenk, doch Amál umfasst es gnadenlos. Er hat den Helm
abgenommen, seine Miene wirkt verschlossen.
    „Wollen wir jetzt Däumchen
drehen“, schmettert sie ihm zornig an den Kopf, während sie das Schwert
angriffslustig in der Hand kreisen lässt.
    Doch er zeigt sich
unbeeindruckt, schüttelt gar belustigt den Kopf über sie und schenkt ihr auf
ihre grimmige Miene hin ein herausfordernd unschuldiges Lächeln.
    Es wirkt entwaffnend.
    Aufatmend fährt er sich durchs
dichte, blauschwarz schimmernde Stoppelhaar, das ihn ungemein kleidet und
dennoch für einen Adligen völlig unüblich ist. Noch nie zuvor sah Joan jemanden
mit solcher Haartracht, zu lang für einen kahl geschorenen Gefangenen oder
Mönch und so kurz, dass sie selbst die struppigen Schöpfe der Bauern lang
erscheinen lässt. Alles an ihm ist ungewöhnlich. Seine dunkle, beinahe bronzen
schimmernde Haut erinnert Joan an die milchigbraune Farbe von Flusswasser
während der Schneeschmelze. Sie steht im Kontrast zu seinen ohnehin schon
stechend blauen Augen. Er ist jünger, als sie seine hervorragende Kampftechnik
zunächst glauben machte, schätzungsweise zehn Jahre älter als sie. Und er ist
groß, dürfte etwa an Rays Körperlänge herankommen. Auf sein nachsichtiges
Grinsen hin ertappt sie sich dabei, dass sie ihn anstarrt. Er scheint sich
seiner Ausstrahlung durchaus bewusst zu sein.
    „Hast du noch nie einen
Sarazenen erblickt? Oder was an mir vermag dich sonst derart zu fesseln, dass
ich beinahe geneigt bin, dich getrost loslassen zu können?“
    Sein spitzbübisches Lächeln
weitet sich auf seine ausdrucksstarken Augen aus. Sein Ton ist auf
eigentümliche Weise gleichsam spöttisch und liebenswert. Eine Art von Humor,
der ihr gefällt.
    „Einen Sarazenen mit blauen
Augen“, murmelt sie verwundert. „Ich glaubte stets, sie hätten
kohlrabenschwarze.“
    Er scheint keinen Anstoß an
ihrer Direktheit zu nehmen. „Du irrst. Mal davon abgesehen, dass ich nur zur
Hälfte Araber bin. Glaubt man den Gelehrten dieses Volkes, so stammt es
teilweise von ebenjenen blauäugigen, rotblonden Hünen ab wie Normannen, Kelten,
Angelsachsen, ja gar Italiener und Griechen bis Inder“, behauptet er mit einem
Augenzwinkern und gespielter Wichtigkeit.
    Sie blickt weg, um den Anflug
eines Grinsens zu verbergen, vor allem jedoch, um ihre unhöfliche Musterung zu
beenden. Überdies glaubt sie ihm nicht ein Wort. „Inder?“ Von diesem Volk hörte
sie noch nie.
    Er hebt spöttisch eine Braue.
„Was glaubst du wohl, wo all die bunten Gewürze herkommen, die deine Mahlzeiten
verfeinern?“ Sein schalkhafter Blick lässt sie

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