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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Gesicht. „Hast du sie denn schon gefragt?“
    Mit einem gequälten Aufstöhnen
schüttelt Malcom den Kopf. „Ich bring einfach nicht den Mut dazu auf.“
    Ray verbirgt ein Grinsen hinter
seiner angestellten Hand und räuspert sich. „Lass dir einen gut gemeinten Rat
mit auf den Weg geben: ... Nimm sie nicht so an die Kandare. Du musst sie
vielmehr an langen Zügeln führen“, erklärt er bedeutungsvoll.
    Malcom begegnet ihm mit
spöttischer Miene. „So schlau bin ich auch geworden.“
    Raymond lacht hämisch, wobei er
sich die Hände reibt. Gut gelaunt nimmt er auf der nahen Bank Platz.
    Joan schüttelt grinsend den Kopf,
als sich ein neues Ziehen in ihrem Unterleib bemerkbar macht und sie
unbarmherzig daran erinnert, weshalb sie im Grunde so spät hier umherstreift.
Sie will sich gerade abwenden, als sie die nunmehr beunruhigend ernsthafte
Stimme ihres Vaters vernimmt. Sie blickt wieder durch den Türspalt.
    „Eines solltest du jedoch noch
wissen.“ Raymond zieht Malcom neben sich auf die Bank.
    „Sie wird dir möglicherweise
nie Kinder schenken können.“
    Malcom lässt sein Kinn los und
betrachtet ihn aufmerksam.
    Am Türrahmen festgekrallt
starrt Joan auf ihren Vater.
    Dieser nickt bedächtig. „Sie
wurde als Kind brutal geschändet. Der Dreckskerl zerriss sie beinahe.“
    Malcom legt den Kopf in den
Nacken und atmet tief durch, bevor er ihn ernüchtert ansieht. Kopfschüttelnd
erhebt er sich. „Ich will sie natürlich trotzdem.“
    Raymond nickt. „Ich wusste,
dass du das sagen würdest.“
    Malcom sieht in die Glut des
Kaminfeuers. „Sie ist mein Leben“, äußert er nachdenklich und wendet sich
langsam wieder Raymond zu. „Wer konnte etwas so Abscheuliches tun?“
    Raymond sieht ihn schweigend
an, um sich dann ebenfalls zu erheben. Er stellt einen Fuß auf die Kaminbank
und blickt in die glimmende Glut. „Ich hatte gehofft, es dir nie anvertrauen zu
müssen. Joan hat es in der Zwischenzeit Gott Lob wieder vergessen.“
    Malcom schüttelt verneinend den
Kopf, unterbricht ihn jedoch nicht.
    „Es geschah im Winter auf einer
Jagd in meinen Wäldern. ...“ Er streift Malcom mit einem flüchtigen
Seitenblick. „Jetzt sind es deine Wälder“, verbessert er sich steif. „Ich hatte
ein paar Gäste mitgenommen ... und Joan. ... Wir wurden durch eine Rotte
Wildschweine getrennt.“ Er fährt sich übers Gesicht. „Gott, ich hätte sie nie
mit ihm allein lassen dürfen“, gesteht er raunend. „Ich hörte plötzlich ihre
Schreie und fand sie blutüberströmt unter ihm im Schnee liegen. Er wollte
fliehen, doch ich bekam ihn zu fassen.“ Er lacht verbittert auf. „Es war der
letzte Tag in seinem Leben gewesen. Er beendete ihn unter Höllenqualen. ... Als
ich ihn nach dem Grund seiner abscheulichen Tat fragte behauptete er, es auf
Percys Geheiß getan zu haben.“ Raymond zuckt die Schultern. „Ein Sterbender
sagt zwar bekanntlich die Wahrheit, dennoch konnte ich ihm diese ungeheuerliche
Anschuldigung nicht glauben. Du wirst dich entsinnen, welch Schönheit Joan
schon als Kind war.“ Er seufzt. „Nun weiß ich, dass dich Percy abgrundtief
hasste, weil du ihm die Braut ausgespannt hattest. Nie werde ich die
Böswilligkeit in seinen Augen vergessen, als er Sibyll das antat.“
    Sie schweigen eine Weile
bedrückt.
    Raymond räuspert sich. „Er
wollte sich damals an dir rächen und hat Gleiches mit Gleichem vergolten. Joan
musste dafür leiden.“ Er blickt Malcom ins niedergeschmetterte Gesicht. „Ich
musste ihr versprechen, dass sie einmal den Mann ihres Herzens ehelichen dürfe.
Als du kurz darauf mit der Bitte kamst, von deinem Versprechen ihr gegenüber
entbunden zu werden, war es mir nur recht.“
    Malcom reibt sich unter
geplagtem Stöhnen mit beiden Händen übers Gesicht. „Nimmt dieser Alptraum denn
nie ein Ende?“
    Raymond tätschelt ihm tröstend
den Rücken. „Du hast dir nichts vorzuwerfen. Percy war ein armer Irrer. Niemand
hätte auch nur ahnen können, dass er in allem so bösartig reagieren würde!“
    Es scheint Malcom nicht
sonderlich zu trösten. „Bei Gott. Wenn jeder für das bisschen Spaß, das er sich
vor der Ehe gönnt, so wie ich bestraft würde ...,“, er atmet schwermütig durch.
    Raymond jedoch lacht auf. „Dann
wäre die Menschheit längst hinweggerafft.“
    Sie stehen nachdenklich
schweigend beieinander und blicken ins Feuer. Joan ist an der Wand
herabgeglitten und sitzt auf dem kalten Steinboden der Vorhalle. Sie kann
nichts Klares mehr denken. Eine tiefe

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