Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
Traurigkeit hat von ihr Besitz ergriffen.
    „Was hast du mit ihm gemacht“,
hört sie Malcom fragen.
    Raymond schnieft nachdenklich.
„Nicht ich. Joan! ... Schneller, als ich denken konnte, entwendete sie mir
meinen Dolch vom Gürtel und entmannte ihn.“ Grinsend vollführt er eine kurze
halbkreisförmige Bewegung mit dem Zeigefinger. „Du kannst von Glück sagen, dass
sie dich mag. Wer weiß, was sie dir sonst angetan hätte, in ihrer
Hochzeitsnacht.“
    Malcom betrachtet ihn mit
großen Augen.
    Raymond indes wird wieder
ernst. „Nicht ohne Grund brachte ich ihr daraufhin bei, sich verteidigen zu
können. So etwas sollte ihr nicht noch einmal widerfahren.“
    Ein erneutes, heftiges Ziehen
lässt Joan aus ihrer Starre schrecken. Wie benebelt kommt sie schwankend auf
die Füße, wobei sie sich Gleichgewicht suchend versehentlich gegen die Tür
stützt. Diese schlägt daraufhin zu ihrem Entsetzen lautstark zu.
    Joan richtet sich auf und
starrt auf die Tür. Sie vernimmt schwere Schritte hinter ihr. Abrupt wirbelt
sie herum und eilt zum Treppenturm.
    „Joan! Bleib doch stehen“, ruft
ihr Malcom aufgelöst hinterher.
    Doch nichts in der Welt könnte
sie dazu bewegen. Sie will nur noch weg von ihm. Will nicht, dass er erneut
Zeuge von ihrem Unvermögen wird, ihm ein gesundes Kind zu gebären. Sie hastet
die Stufen zum Erdgeschoss hinunter, hört noch seine Schritte weiter oben im
Turm, als sie diesen auch schon zur Vorhalle im Erdgeschoss hin verlässt.
Keuchend reißt sie die schwere Eichentür vom Ausgang zurück und rennt den
Trampelpfad entlang zu den Ställen. Behände schlüpft sie durch eine der Türen
in den Pferdestall, wo sie sich das erstbeste Tier greift. Dumpf dringt Malcoms
Stimme, die aufgeregt ihren Namen ruft, von draußen an ihr Ohr. Durch einen
hinteren Ausgang führt sie das Pferd in die mondhelle Nacht hinaus, um eilends
aufzusitzen. Grob stößt sie dem Tier die Hacken in die Seiten und treibt es
schnalzend an. Der Braune gehorcht sofort und galoppiert mit ihr an Malcom
vorbei über den Hof. Sie hört, wie er ihr noch hinterher rennt.
    „Joan! Du kommst hier sowieso
nicht raus!“
    Mit zusehends schmerzhafteren
Wehen setzt sie durchs Felsentor und hofft, sich irgendwo im Zwinger vor ihm
verbergen zu können. Um nichts in der Welt will sie ihn dieses Mal um sich
haben, wenn sie sein Kind verliert. Verzweifelt treibt sie den Braunen an. Dann
stellt sie erleichtert fest, dass die Brücke unten ist. Dröhnend erbebt diese
kurz darauf unter dem Schlag der Pferdehufe. Im nächsten Augenblick schluckt
die verschneite Landschaft sanft jegliches Geräusch.
    Malcom steht an der Wehrmauer
und beobachtet fassungslos ihr Verschwinden. „Wache“, brüllt er laut, um dann
wütend gegen eine der Zinnen zu schlagen, als sich nichts regt. Beunruhig eilt
er zum Felsentor hinüber. Dort reißt er die niedrige, eisenbewehrte Tür zur
Wachstube auf. Der Wachposten lehnte mit dem Rücken dagegen und fällt ihm mit
durchschnittener Kehle vor die Füße. Als er ihn berührt, ist er noch warm. Laut
fluchend hastet Malcom zurück zum Wohnturm. Dabei blickt er noch einmal zum
Bergkamm herüber. Eine winzige Gestalt zu Pferde trottet den Kammweg entlang.
    Malcom spurtet aus dem
Treppenturm in die Vorhalle hinaus. „Raymond“, ruft er mit Gebrüll, stößt dabei
die Tür zur Großen Halle zurück und prallt mit diesem zusammen. „Ray, lass die
Pferde satteln und wecke die Waffenknechte. Ulman ist entkommen.“
    Raymond reißt die Augen auf und
nickt.
    Malcom hat ihm bereits den
Rücken zugewandt und rennt wieder Richtung Treppenturm. „Lass die Tore neu
besetzen und hole die Hunde“, ruft er ihm noch zu.
    „Mal“ brüllt Raymond, worauf
dieser stoppt, indem er etliche Fuß über den Steinboden der Vorhalle schlittert
und sich zu ihm umwendet.
    „Wo ist Joan?“
    „Raus.“
    „Was?“
    „Reitet soeben über den Kamm.
Ich fürchte, sie hat alles mit angehört.“
    Raymond schlägt wütend mit der
Faust gegen die Tür. „Ich suche sie.“
    „Nein! Tu, was ich dir sagte.
Ich kann mir denken, wohin sie will.“
    „Sie läuft ihm direkt in die
Arme!“ Raymond sieht ihm aufgelöst hinterher. Unter lautem Gefluche eilt er ihm
daraufhin nach, ebenfalls zum Treppenturm, um seine Anweisungen auszuführen.
    Malcom gelangt in den zweiten
Stock, wo er aus voller Kehle die Namen seiner Ritter ruft. Dabei stürzt er zur
Tür seines Gemaches und reißt diese auf. Ulmans Platz vor dem Kamin ist leer.
Seine Ketten wurden

Weitere Kostenlose Bücher