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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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gedacht, er wäre ein Findelkind.“
    Er lacht. „Ich kann’s selbst
jetzt kaum fassen“, bemerkt er und betastet die Nabelschnur. Daraufhin stützt
er sich auf dem Steinsockel ab und stemmt sich hoch auf den Absatz.
    Joan indes beobachtet ihren
trinkenden Sohn. Sie bemerkt das tiefe Grübchen in seiner Wange. Dann hat
Malcom, der erneut neben sie kommt, wieder ihre Aufmerksamkeit. Er hält sein
Schwert in der Hand. Mit einem kurzen Schnitt durchtrennt er die Nabelschnur,
die Joan mit Robert verband und noch immer in sie hineinführt.
    „Du musst noch einmal pressen,
Joan.“
    Sie tut es, worauf etwas
Blutrotes, Weiches aus ihr heraus gleitet. Malcom zieht es an der Nabelschnur
aus dem Wasser heraus und schleudert es weg, dass es auf dem Schnee
aufklatscht. Heda kommt schnüffelnd herbei und leckt daran. Daraufhin legt sie
sich daneben in den Schnee und verspeist genüsslich die Nachgeburt.
    „Ich bin so müde“, seufzt Joan
gedehnt, wobei sie Robert an ihre andere Brust legt. Der Kleine saugt
geschäftig, was sie die Zähne zusammenbeißen lässt. Als er dabei laut schmatzt,
lächelt sie versöhnlich zu ihm herab.
    „Lass ihn noch etwas trinken.
Scheint, er bekommt gar schon etwas heraus.“
    „Er hat ja auch einen guten
Zug“, bemerkt sie.
    Malcom nimmt den friedlichen
Anblick von beiden in sich auf.
    „Er ist eingeschlafen“, stellt
sie nach einer Weile fest.
    Malcom hievt sich daraufhin
glückselig seufzend aus dem Wasser. Er greift Joan unter die Arme, um sie
mitsamt des Kindes auf den Absatz hochzuzuiehen. Joan taucht den Kleinen wieder
so unter, dass nur noch sein Kopf aus dem warmen Wasser herauslugt. Malcom
indes kleidet sich an und begibt sich dann zu Brix, den er von seinem wärmenden
Mantel erleichtert. Sie wickeln Robert dick und warm darin ein. Etwas besorgt
beobachtet Malcom, wie Joan schwankend neben ihn kommt. Als sie sich
schwerfällig angekleidet hat, reicht er ihr das Bündel und nimmt sie
leichthändig hoch. Joan schmiegt sich an ihn. Er setzt sie quer auf Brix und
schwingt sich hinter sie. Matt lehnt sie sich gegen ihn, während er das Tier
antreibt. Brix setzt sich in Gang, dicht gefolgt vom Braunen.
    Sie reiten gemächlich den im
Mondlicht liegenden Kamm entlang auf die Festung zu. Der Sternenhimmel funkelt
durch etliche Löcher in der hellgrauen Wolkendecke. Mit einem wissenden Lächeln
grüßt Joan den Vollmond, der bekanntermaßen einer Niederkunft förderlich ist.
Wie nur konnte sie die Anzeichen übersehen? Joan ist todmüde und dennoch ganz
aufgekratzt. Sie kann jetzt unmöglich schlafen, betrachtet immer wieder das
kleine Gesicht ihres friedlich schlummernden Sohnes. Im Stillen dankt sie dem
Herrn für dessen Gnade und wünscht, dieser glückliche Moment möge ewig währen.
Versonnen fragt sie sich, wie ihr die Schwangerschaft so lange hatte verborgen
bleiben können und rechnet nach. „Malcom“, ruft sie daraufhin entgeistert. „Er
muss schon im Kerker in mir gewesen sein. Ich verlor seinen Zwilling.“
    Er überlegt. „Hm“, stimmt er
ihr zu, worauf sie gedankenversunken weiterreiten.
    Dann bemerkt sie das
geschäftige Treiben auf dem Burghof und stutzt.
    „Was ist da los?“
    Malcom seufzt. „Ulman ist
geflohen.“
    „Was“, ruft sie entsetzt, um
sich augenblicklich verängstigt umzusehen. „Aber er war angekettet!“
    „Kein Hindernis, wenn man einen
Helfer hat.“
    Sie traut ihren Ohren kaum.
„Wer sollte so etwas tun?“
    „Ich hoffe, wir erfahren es
gleich“, raunt Malcom.
    Schweigend reiten sie weiter.
Als sie endlich ans Tor gelangen, ist die Zugbrücke oben. Malcom ruft mit
erhobener Stimme, wodurch ihr Kind aus dem Schlaf geschreckt zu weinen beginnt.
Joan wiegt den Kleinen sanft, was ihn beruhigt. Die Männer lassen die Brücke
herunter. Joan atmet auf, als sie sich endlich hinter den schützenden Mauern
der Festung befinden. Sie stellt fest, dass sie insbesondere Roberts wegen in
Sorge war und lächelt über diese neue Erfahrung.
    Die Wachleute teilen ihnen
geknickt mit, dass Ulman entkommen konnte. Sie ziehen die Köpfe unter Malcoms
lautstarkem Fluchen ein, das Roberts Wimmern nach sich zieht. Die Männer machen
große Augen, als sie den Säugling bemerken.
    „Das ging schnell“, ruft man
ihnen hinterher und lässt es auch an Glückwünschen nicht fehlen.
    Malcom hebt die Hand, ohne sich
nach ihnen umzuwenden. Mit fröhlichem Gelächter ziehen sie die Brücke wieder
hoch, um sich dann eilends in ihre kaminwarme Wachstube in einem der

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