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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Dieser fährt soeben in einen seiner Stiefel und blickt
sie erwartungsvoll an.
    „Wo ist Robert?“
    Lächelnd winkt er ab. „Es geht
ihm gut. Blanche hat ihm eine Amme besorgt. Du schwebtest beinahe zwei Wochen
lang zwischen Leben und Tod“, erklärt er zu ihrer Bestürzung. Ruhelos nähert er
sich ihr, um sich neben ihr ans Bett zu knien. Er nimmt ihre Hände. „Du musst
gesund werden.“
    Sie lächelt, während ihr hörbar
der Magen knurrt. „Du bist so aufgeregt“, stellt sie mit kratziger Stimme fest.
    „Oh“, stöhnt er gedehnt. „Ich
fürchte, meine Männer haben in den letzten Wochen jeglichen Respekt vor mir
verloren“, klagt er seufzend.
    Sie deutet ein Lächeln an. „Du
hast tatsächlich ein weiches Herz. Dafür liebe ich dich“, erwidert sie und legt
eine schwache Hand gegen seine Brust.
    Er ergreift diese, um sie zu
küssen. Dann erhebt er sich schweigend, betrachtet sie noch einen Augenblick
lang und lächelt erleichtert aufatmend. „Ich hätte mein Leben gegeben, um dich
noch einmal diese Worte sagen zu hören.“
    Joan betrachtet ihn
nachdenklich. Sie bemerkt, wie müde er aussieht.
    „Ich werde der Kirche eine
riesige Wachskerze deines Gewichtes stiften, aus Dankbarkeit für deine
Errettung“, raunt er und hebt erstaunt eine Braue, als Joan darüber kichert.
    „Sie wird bei meiner Magerkeit
wohl nicht so riesig ausfallen“, erklärt sie lachend.
    Er stimmt in ihr Lachen ein. Es
ist ein Moment, der für alles entlohnt. Ein Moment wiedergewonnener
Vertrautheit, der die Last der letzten Tage und Wochen abfallen lässt.
    Malcom seufzt durchatmend und
beugt sich für einen Kuss auf ihre Stirn zu ihr herab. „Du scheinst wieder ganz
die Alte“, murmelt er beruhigt, bevor er auf dem Absatz kehrt macht und durch
die Tür verschwindet.
    Joan bedenkt ihren knurrenden
Magen mit einem ungeduldigen Seufzen und dreht sich auf die Seite, da ihr der
Rücken vom langen Liegen schmerzt. Ihre Brüste sind empfindlich geschwollen,
ihr Leinenhemd darüber nass durchtränkt. Sie sehnt sich nach Robert. Ihr Hunger
ist beinahe unerträglich und sie versucht, an etwas anderes zu denken. So
bemerkt sie den Ring an ihrer linken Hand und berührt ihn bewundernd. Er sitzt
nur noch lose auf ihrem spindeldünnen Finger. Wenn sie nicht Acht gibt, wird
sie ihn verlieren. Daher zieht sie ihn ab und streift ihn sich einfach über den
Daumen. Indes denkt sie an Malcom und seinen Schmerz, der sie zur Umkehr bewog.
Oder war alles nur ein Traum? Wenn, dann keiner ihrer üblichen Alpdrücke, die
sie allerdings schon seit Längerem nicht mehr heimsuchen. ... Seit sie um ihr
dunkles Geheimnis weiß, wie sie nachdenklich bemerkt. ... Aber nein. Dieser
Traum war ganz anders gewesen. Ungewöhnlich deutlich entsinnt sie sich jeder
Einzelheit dieses wunderbaren Traumes. Ebenfalls des Gefühls, als sie diese
herrlichen Farben sah. Sie versucht, dieses Gefühl wieder herbei zu rufen und
blickt dabei auf ihre getrockneten Kräuter an der Wand. Doch diese bleiben grau
in grau.
    Es klopft sachte an und Blanche
steckt den Kopf zur Tür herein. Sie lächelt, als sie Joans ansichtig wird und tritt
ganz ein. Joan schreit überrascht auf, als herrlich grüne und blaue Farben um
ihre Freundin hochschlagen. Sie wirken durchscheinend und haben dennoch eine
brilliante Leuchtkraft, besonders um den Kopf, umhüllen Blanches gesamten
Körper wie eine Wolke, die bis unter die Decke der Kammer reicht und sich zu
den Seiten hin seicht verliert. Joans Augen weiten sich beim Anblick der
Farben, die pulsieren wie tausende Glühwürmchen, welche zur gleichen Zeit
erglühen und in die selbe Richtung fliegen, um die Wolke zu einem Oval
anwachsen zu lassen, jedoch im nächsten Moment für einen flüchtigen Augenblick
vollends zu verglimmen, allmählich wieder ihr Leuchten anschwellen lassen und
erneut eine wogende Wolke bilden. Diese strahlt Blanches Körper sanft an, so
dass er einen beleuchteten Umriss erfährt. Ihr Unterleib hingegen glimmt in
einem ganz eigenen Leuchten. Joan gewahrt, dass ihr die Tränen kommen. Noch nie
hat sie etwas Schöneres erblickt. Ihr Herz ist voller Ehrfurcht.
    „Joan? Was ist dir?“ Blanche
steht mit besorgter Miene vor ihr. „Habe ich dich derart erschreckt?“
    Joan versucht, ihr Farbsehen zu
unterdrücken. Dabei schließt sie hastig die Augen, blinzelt nach kurzem wieder
und erblickt Blanche erleichtert ohne deren atemberaubende Lichtspiele. Es war
demnach kein Traum, stellt sie ernüchtert fest. Sie weiß nicht, wie

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