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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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worauf sie mit einem Lächeln erleichtert aufatmet.
    Er blickt zu den toten Vögeln,
welche im Wasser treiben. „Mir scheint, du triffst alles, was du dir
vornimmst“, bemerkt er unter anerkennendem Wiegen des Kopfes. Er mustert sie.
„Und du bist sehr schnell. ... Bist du mit der Armbrust ebenso sicher?“
    „Früher schon.“
    Er nickt. „Na schön, auf diesem
Gebiet muss ich dir offenbar nichts mehr beibringen.“ Daraufhin schaut er
wieder zum See und lacht kurz auf. „Du wirst jetzt wohl die Aufgabe des
Jagdhundes übernehmen müssen.“ Gut gelaunt schlägt er ihr gegen den Rücken, so
dass sie ins Wanken kommt.
    Joan sieht zu den Vögeln
hinüber und ihr wird bestürzt klar, dass sie in Kürze ein Problem haben wird.
„Ich kann aber nicht schwimmen“, platzt es aus ihr heraus. Sie kann unmöglich
ihre Kleider vor ihm ablegen!
    Er ist verwundert. „Dein Vater
hat es dir nicht gezeigt?“
    Sie schüttelt den Kopf.
    „Weißt du, wie mich dein Vater
das Schwimmen lehrte?“
    Joan ist verblüfft. Ihr war
bisher nicht klar gewesen, dass er ihren Vater offensichtlich schon seit seiner
Kindheit kennt. Doch weiß sie, worauf er hinaus will und weicht sogleich
ängstlich ein paar Schritte vor ihm zurück.
    Malcom grinst. „Du weißt es
also?“
    Sie zuckt die Schultern. „Als
er mich ins tiefe Wasser stieß, bin ich um ein Haar ertrunken. Er hat mich
wieder herausholen müssen. Seither meide ich tiefes Wasser. ... Es ist für mich
ein Alptraum“, fügt sie noch hinzu, um ihm ihre Abneigung deutlich zu machen.
    Er stemmt die Hände in die
Seiten. „Du weckst meinen Ehrgeiz.“ Auf das Entsetzen in ihrem Gesicht hin
lacht er belustigt auf und hebt abwehrend die Hände. „Keine Angst. Dafür haben
wir heute keine Zeit.“ Er beginnt, sich auszuziehen. „Und die nächsten Wochen
vermutlich auch nicht. ... Mag sein, dass du diesen Sommer noch einmal
davonkommst.“ Nackt geht er zum Ufer hinunter und läuft geschwind ins Wasser.
    Joan ist erleichtert. Sie
beobachtet, wie er zu den toten Gänsen schwimmt und diese einsammelt. Ihr wird
eigentümlich warm ums Herz, als er wieder nackt vor ihr auftaucht. Sie verspürt
den Wunsch, ihn zu berühren und schluckt. Das macht alles nicht eben leichter.
    „Ein Blutegel sitzt dir am
Bein“, bemerkt sie betont gelassen, wobei sie sich von ihm abwendet und eine
Hand voll langer Grashalme zu ihren Füßen ausreißt. Damit geht sie zu den
Gänsen, welche er auf dem Boden abgelegt hat, um sie an den Füßen aneinander zu
binden.
    Malcom streift den Egel von
seinem Oberschenkel und kleidet sich behände wieder an.
    „Wieso kanntet Ihr meinen Vater
so gut?“ Joan richtet sich mit den Gänsen in der Hand auf und blickt ihn
erwartungsvoll an. Zu ihrer Bestürzung ist er gerade darin begriffen, sich
gegen einen nahen Haselstrauch zu erleichtern. Zu allem Unglück wendet sie sich
nicht schnell genug ab, so dass ihm ihr schamesrot anlaufendes Gesicht nicht
entgeht.
    „Ein Knappe wird nicht rot,
wenn er seinen Dienstherrn pinkeln sieht“, weist er sie daraufhin auch noch
zurecht, während er sich weiterhin abhält.
    Sie blickt trotzig zu ihm auf.
    Er bedenkt sie mit
unverständlichem Kopfschütteln. „Und wann lässt du endlich die Förmlichkeiten“,
stutzt er sie weiter zurecht, bevor er endlich darin fort fährt, sich
anzukleiden.
    Joan atmet gefasst durch. Als
er wieder gestiefelt und gespornt vor ihr steht, muss ihr die Erleichterung ins
Gesicht geschrieben stehen, da er sie misstrauisch beäugt, während er den
Schwertgurt mit sicheren Bewegungen anlegt. Einen flüchtigen Moment fürchtet
sie, er würde ihr auf die Schliche kommen. Insgeheim könnte sie sich über ihre
zur Schau gestellten Gefühle ohrfeigen. Für die Zukunft nimmt sie sich vor,
diese besser zu verbergen.
    Brummend wringt er sich das
tropfnasse Haar ein wenig aus. „Ich war einmal sein Knappe“, erklärt er
endlich, wobei er mit dem Kopf in Richtung der Pferde nickt, zu denen sich Joan
daraufhin getreulich in Bewegung setzt.
    Sie ist überrumpelt.
Angestrengt versucht sie, sich an ihn zu erinnern. Dann fällt es ihr wie
Schuppen von den Augen. Natürlich! Sie nannten ihn alle Mal. Er gehörte so gut
wie zur Familie. Sie war damals noch zu klein, um genauere Erinnerungen zu
haben. Mit noch unter zwanzig Jahren wurde er bereits zum Ritter geschlagen und
weilte danach nicht mehr lange bei ihnen. Sie weiß noch, dass er sie einmal in
einen Zuber mit eingeweichter Wäsche stieß, weil sie ihm zu frech

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