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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Packpferden befinden sich etliche Tiere, die
vergleichsweise wenig Last tragen. Es sind ebenfalls Zelter, nach ihrer töltenden
Gangart zu urteilen, was darauf schließen lässt, dass es sich bei ihnen um die
zusätzlichen Reitpferde der Ritter handelt. Die eigentlichen Streitrosse werden
auf dem Wege zur Schlacht geschont, denn sie sind kostbar und speziell für den
Kampf abgerichtet. Daher wundert es Joan insgeheim, dass die Ritter ihre
Schlachtrosse reiten. Obendrein voll gerüstet, wo doch üblicherweise auch die
Rüstungen auf den Saumpferden mitgeführt und erst zum Kampf angelegt werden.
Sie bemerkt außerdem, dass sie kein Fußvolk mitgenommen haben. Die relativ
wenigen freien Bauern des Lehens, welche wie ihr Dienstherr dem König
Heeresfolge leisten müssen, waren somit nicht im Heeresaufgebot enthalten. Es
gereicht ihnen in Hinsicht auf ihre Reisegeschwindigkeit zum Vorteil.
    Joans Hand wandert versonnen
zum Gürtel auf das Heft ihres neuen Dolches. Er ist ebenfalls schlicht, doch
rasiermesserscharf und gut gearbeitet. Von Gerold hat sie weiterhin lederne
Beinlinge erhalten, die besser als die wollenen zum Reiten geeignet sind. Insgesamt
fühlt sie sich in der Männerkleidung beinahe wohler, als in ihrer alten, da sie
darin ungemein mehr Bewegungsfreiheit hat.
    Sie entspannt sich und starrt
gedankenversunken auf die Licht- und Schattenspiele vor ihr auf dem breiten
Waldweg herab. Vermutlich fragt sie sich soeben zum hundertsten Male, was das
für eine Schuld sein könne, in welcher Malcom ihrem Vater gegenüber steht. Denn
dieser hat sie wohl hauptsächlich ihre jetzige Lage zu verdanken. ... Als ihr
wieder der Magen knurrt, legt sie einfach eine Hand darüber. Sie hatte ja am
Morgen außer der Brotscheibe nichts weiter zu sich genommen. Noch befinden sie
sich im Wald des Lehens und könnten etwas erjagen. Sobald sie die Gutsgrenze
überschritten haben, müssen sie sich aus ihren mitgeführten Vorräten ernähren
oder etwas kaufen. Malcom scheint ähnliche Gedanken zu hegen. Denn in Nähe
eines kleinen Bachlaufes vor einer Lichtung hebt er die Hand als Zeichen zum
Anhalten und zügelt sein Pferd.
    Joan atmet auf. Die Truppe
kommt zum Stehen. Man sitzt ab. Es wird nicht viel geredet, jeder geht seinen
Aufgaben nach. Die Knappen nehmen die Pferde ihrer Herren entgegen und tränken
sie etwas Bach abwärts. Joan führt ihren Rappen an den Zügeln auf Malcom zu,
der soeben ein paar seiner Waffenknechte anweist, etliche Feuer zu entfachen.
Sie steuert zu seinem etwas abseits stehenden Pferd und nimmt dessen lose
herabhängende Zügel zur Hand. Der Kopf des Hengstes fährt daraufhin unter
lautstarkem Schnauben zu ihr herum. Dann scheint das Tier sie zu erkennen und kommt
mit dem Maul ganz nah an ihre Kappe heran. Joan weicht ihm lächelnd aus wobei
sie bemerkt, dass sie bei der nächstbesten Gelegenheit endlich ihr
verräterisches Haar kürzen muss. Während sie seinen Hals tätschelt, lenkt sie
beide Pferde in Richtung zum Wasser. Zuerst hat er sich bockig. Aber indem sie
ruhig auf ihn einredet, lässt er sich schließlich dazu herab, ihr doch zu
folgen. Plötzlich hört sie hinter sich Gelächter und dreht sich halb herum.
Malcoms und etliche andere Gesichter sind ihr zugewandt, so dass sie verwundert
die Brauen hebt.
    Gerold schlägt Malcom grinsend
auf die Schulter. „Scheint, der störrische Gaul hat NOCH einen Meister
gefunden.“
    Malcom betrachtet sie
nachdenklich, um dann ebenfalls lächelnd den Kopf zu schütteln. Daraufhin nickt
er ihr aufmunternd zu, weiterzumachen und wendet sich ab.
    Nachdem sie die Pferde getränkt
hat, führt sie diese zum Grasen auf die Lichtung zu den anderen. Die Knappen
sind schon wieder zurück bei ihren Herren, denen sie zu Joans Erstaunen dabei
behilflich sind, die Rüstungen abzulegen. Scheinbar wollen sie eine längere
Rast einlegen. Sie blickt sich suchend nach Malcom um, den sie dann zusammen
mit Gerold und zwei weiteren Männern im Gras am Waldrand sitzend entdeckt.
Während sie zu ihnen hinübergeht, erheben sich die drei anderen wieder und
verschwinden mit Armbrust und Bogen zwischen den Bäumen. Als sie bei ihm
ankommt, sieht Malcom zu ihr hoch.
    „Wenn du so gütig wärst, mich
endlich hiervon zu befreien“, fordert er gedehnt, wobei er sich aufsetzt und ihr
den linken Arm entgegenstreckt.
    Eilends kniet sie sich neben
ihm ins Gras. Schwert und Wappenrock hat er bereits abgelegt. Sie löst die
Schnallen der durch Scharniere beweglich miteinander verbundenen

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