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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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zur
Gepflogenheit geworden am ersten Tag, an dem wir in die Schlacht ziehen. Auf
diese Art stimmen wir uns nach den behaglichen Monaten auf der Burg oder bei
Hofe wieder auf den entbehrungsreichen Krieg ein“, erwidert er versöhnlicher.
Auf ihre unverständliche Miene hin klopft er ihr unsanft die Schulter. „Du
wirst noch verstehen, was ich meine. ... Und nun eil’ dich.“ Er wendet ihr den
Rücken zu und kehrt zu seinen Männern zurück.
    Nachdenklich blickt sie ihm
hinterher. Sie überlegt, dass ihm wohl bei dieser Gepflogenheit sicher die
furchteinflößende Wirkung seines schwer bewaffneten Trupps zur Einschüchterung
seiner armen Bauern zupass kommt.
    Die Nacht ist lau. Die
Mondsichel spendet nur wenig Licht. Joan liegt erschöpft auf einer wollenen
Decke, die sie ein wenig über ihre Beine herumgeschlagen hat, und bekommt
dennoch kein Auge zu. Die Männer haben sich um mehrere kleine Feuerstellen
herum gruppiert und schlafen größtenteils, nach gleichmäßigen Atemzügen oder
gar etlichen Schnarchern zu schließen. Joan selbst liegt zusammen mit Gerold
und dessen Knappen, den sie Philip rufen, in Malcoms Nähe. Dieser hat sich ins
Gras gelegt und atmet ruhig. Sie überlegt, dass sie, als sie in ihrer Kindheit
mit ihrem Vater reiste, meist komfortabler schlief, indem sie mit ihrem Gefolge
unterwegs stets die Burgen befreundeter Adelsfamilien anliefen. Dies ist in
Kriegszeiten wohl zu umständlich. In der Hoffnung, die verdammte Mücke endlich
zu erwischen, schlägt sie sich erneut gegen die Stirn. Doch ohne Erfolg. Welch
gewaltiger Nachteil des Weihers, wie sie seufzend bemerkt. ... Ist sie etwa
verweichlicht? Und das trotz der beiden Jahre Dorflebens! Sie räkelt sich,
greift dann ungeduldig unter die Decke und wischt einen kleinen Stein unter
ihrem Rücken weg. Daraufhin setzt sie sich entnervt auf, um sich zu erheben. Leise
schleicht sie zum Weiher, folgt ein wenig dessen Uferlauf und lässt sich
schließlich auf einem großen Stein am Ufer nieder. Als sie sicher ist,
unbeobachtet zu sein, holt sie bedächtig ihren Dolch hervor. Eilends nimmt sie
dann die Kappe vom Kopf und streift sich das Lederbändchen aus dem weichen
Haar, so dass ihr dieses geschmeidig bis zur Taille herab flutet. Gleichgültig
säbelt sie es sich ganz sorgfältig auf Schulterhöhe ab. Die abgeschnittenen,
langen Strähnen vergräbt sie daraufhin in der Erde hinter dem Stein. Sie geht
zum Weiher, um sich die beschmutzten Hände zu waschen. Alsdann streift sie sich
die Schuhe ab und watet ins brühwarme Wasser. Trotzdem durchnässt es ihre
Beinlinge angenehm kühl. So taucht sie den Kopf unter Wasser und kommt schwungvoll
wieder hoch. Während sie das Kreuz durchbiegt, um sich dann wieder dem Ufer
zuzuwenden, genießt sie die willkommene Frische des Wassers, das ihr aus dem
Haar durch die Kleidung sickernd am Körper herabrinnt. Sie sammelt Schuhe sowie
Kappe ein und steuert auf die Pferde zu, als sie eine dunkle Gestalt vor sich
wahrnimmt. Misstrauisch bleibt sie vor dieser stehen.
    „Kannst du auch nicht
schlafen?“ Die Stimme ist jung, aber schon tief.
    „Hm.“ Joan kann sein Gesicht
nicht erkennen. „Wer bist du?“
    „Phil, Gerolds Knappe.“
    Sie gehen zu den Pferden
hinüber. Brix löst sich aus seiner Starre und kommt zu Joan getrottet. Er
schnuppert an ihrer Hand.
    „Ich hab’ nichts mehr für dich.
Du hast deine heutige Ration schon weggeputzt, kleiner Fresssack. Schnödes Gras
ist wohl nicht gut genug, was?“ Sie klopft ihm den Hals.
    „Klein ist gut ... Wie machst
du das bloß?“
    „Was denn?“
    „Dass er dich nicht beißt,
tritt oder rüde anrempelt.“
    „Tut er so etwas denn?“ Sie ist
erstaunt. Brix ist zwar imposant, doch ziemlich umgänglich.
    Phil schnieft verächtlich. „Und
ob er einem so etwas antut. Jedem hier, wenn er Gelegenheit dazu findet. Außer
Malcom. ... Und dir, wie es scheint.“
    Sie überlegt. „Du darfst dich
nur nicht von ihm beeindruckt zeigen oder Angst haben. Dann ist er ganz zahm.“
    Phil schweigt gedankenvoll.
„Ich glaube nicht, dass es so einfach ist.“
    „Probier’s doch.“
    Er zögert. „Lieber nicht.“
    Joan lacht. „Beachte ihn gar
nicht weiter“, rät sie und räuspert sich. „Sag’ mal, kann ich dich etwas
fragen?“
    „Sicher.“
    „Hast du schon einmal eine
Schlacht erlebt?“
    Er brummt. „Noch keine richtig
große. Die letzten Jahre waren wir nur in kleinere Kämpfe mit den Schotten
verwickelt, wenn es dieser Weichling Edward

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