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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Bauern ein Ohr, wenn sie ihr Weh über die Abgaben klagten. Die
Pachteinnahmen in diesem Jahr waren um etwa zwei drittel geringer, als im
letzten, das allerdings als ein ungewöhnlich ertragsreiches galt. Dennoch
gereichten die Mittel dazu, dem königlichen Steuereinnehmer den gebotenen
Betrag zu entrichten.
    Sie gelangen zum Ufer, wo sie
sich schweigend zur vereisten Fläche des Sees wenden. Der Schnee ihres
dürftigen Trampelpfades ist vom Sonnenschein aufgeweicht und matschig. Ihre
guten kniehohen Reitstiefel mag er nicht zu durchnässen, hingegen jedoch ihre
Beinlinge. Auch der noch gestern verharschte Schnee über dem Eis des Sees ist
wie Brei. Man versinkt in ihm bis zu den Knien, bevor der harte Eisuntergrund
erreicht ist. Sie kommen zum niedergetretenen Areal ihres Übungsplatzes. Der
Schnee dort ist dichter und härter und vermag sie halbwegs zu tragen. Die Sonne
sticht unbarmherzig herab, um von der weißen Fläche blendend zurückgeworfen zu
werden. Joan entledigt sich ihres Gambesons über der grünen Tunika und blickt
erwartungsvoll zu Ulman vor ihr auf. Er beobachtet ihr Tun lächelnd.
    „Lach nur“, meint sie
verächtlich. „Ich hoffe, dich heute ebenfalls ins Schwitzen zu bringen.“
    „Wenn du es schaffst, hast du
einen Wunsch frei“, stachelt er sie an.
    Sie grinst. „Wenn du das mal
nicht bereust“.
    Er zieht das Schwert. Sie tut
es ihm nach.
    „Dann lass mich sehen, ob du
dir etwas gemerkt hast.“
    Sie atmet durch und sammelt
sich, ersinnt eine Eröffnung. Dann fasst sie ihn ins Auge und greift an.
    Das metallene Klirren und
Singen ihrer aufeinanderschlagenden Klingen wird schallend über den See
getragen. Der weiche Untergrund macht Joan jedoch zu schaffen, raubt ihr
kräftezehrend das nötige Gleichgewicht. Sie ist zu langsam. Ulman quittiert es
mit Gaukelei und bringt sie dadurch vollends aus dem Takt.
    „Lass dich nicht durch mich
stören“, ruft er hämisch.
    Entnervt und verschwitzt
pariert sie schwerfällig seine Hiebe und lässt sich zu einem mäßig geführten
Angriff verleiten. Er pariert nur kurz und weicht ihr aus, indem er ein Rad
schlägt.
    Darauf lässt sie resigniert die
Waffe sinken. „Es ist viel zu warm“, jammert sie.
    Er jedoch lacht. „Ich friere!“
    Seufzend wischt sie sich den
Schweiß von der Stirn, breitet plötzlich die Arme aus und lässt sich rücklings
in den Schnee fallen. Eine willkommene nasse Kälte breitet sich ihr daraufhin
über Rücken und Beine aus. Sie blinzelt erfrischt in die Sonne. Ulman wirft
einen Schatten über sie. Er reicht ihr die Hand.
    „Du wirst klatschnass“, gibt er
zu bedenken.
    Joan nimmt seine Hand und lässt
sich von ihm mit einem kraftvollen Ruck zurück auf die Füße ziehen.
    „Jetzt nimm dich vor mir in
Acht“, droht sie verschmitzt, wobei sie bemerkt, wie er mit dem Daumen flüchtig
über ihren Handrücken in seiner Rechten fährt, den Blick versonnen auf ihr
gerötetes Gesicht gerichtet. Es macht, dass Joan das Grinsen vergeht. Doch er
hat ihre Hand bereits wieder losgelassen. Mit unbewegter Miene nickt er ihr zu.
    „Dann lass mal sehen.“
    Sie stellt abschätzend den Kopf
schräg und fragt sich nicht zum ersten Male, ob sie sich seine Zuneigung
lediglich einbildet. Er ist wie immer auf eine zurückhaltende Art zuvorkommend
und charmant. Wenn er etwas für sie empfinden sollte, weiß er es erstaunlich
gut zu verbergen. Sie wird einfach nicht klug aus ihm. Im Grunde hielt sie sein
Lied für eindeutig ...
    „Worauf wartest du“, fragt er
belustigt, wobei er auffordernd gegen ihre Klinge schlägt. „Machst du ein
Nickerchen?“
    Sie atmet durch und greift an. Tatsächlich
ist sie jetzt in besserer Form. Ihre Bewegungen sind schneller und
kontrolliert. Sie beginnt, anzuwenden, was sie von ihm lernte und erntet ein
anerkennendes Grinsen von ihm. Gerade, als sie denkt, ihn aus der Reserve
locken zu können, foppt er sie lachend mit einem seiner Überschläge hoch durch
die Luft.
    „Nein“, schickt sie ihm wütend
hinterher und beobachtet, wie er im tieferen Schnee wieder auf den Füßen landet
und bis zu den Knien in ihm versinkt.
    „Du musst auf alles gefasst
sein“, gibt er lächelnd zur Antwort, als ihn im nächsten Moment ein hässliches
Knacken bestürzt nach unten blicken lässt.
    Joan lacht gehässig. „Ja, da
stimme ich dir zu.“
    Leise fluchend schwankt er mit
einem Male, rudert von einem weiteren lauten Knacks begleitet Gleichgewicht
suchend mit ausgestreckten Armen durch die Luft und versinkt

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