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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit hatte sie Angst vor ihren Gefühlen
zu ihm.
    Betreten schweigend blicken sie
sich an.
    „Welch böses Spiel treibt
Fortuna mit uns“, bemerkt er ernüchtert mit traurigen Augen.
    „Warum hast du dich mir nicht
offenbart, schlichst mir stattdessen heimlich nach? Ausgerechnet DU wirfst mir
vor, dass ich weglief. Du tatest es selbst. ... Wieder einmal!“
    Er fährt sich aufgewühlt durch
die blonden Locken, stützt dann die Hände in die Seiten und wendet ihr den
Rücken zu. Sie erkennt die Ähnlichkeit mit Malcoms Gesten, was sie verbittert
schniefen lässt. Unmöglich, nun noch zu sagen, wen von beiden sie zuerst
liebte. Besäße er nur ETWAS vom Draufgängertum seiner Brüder, wäre vermutlich
alles anders gekommen. Ihrer beider Zurückhaltung stand ihnen im Wege. ...
Bisher war sie eine glücklich verheiratete Frau. Sein Kuss jedoch stürzte sie
darüber in tiefe Selbstzweifel.
    „Gott. ... Es gibt sicher keinen
Menschen auf dieser verdammten Welt, der mehr Irrtümer und Fehler beging, als
ich“, ruft er gequält.
    Sie atmet durch und versucht,
sich zu fassen. Dann beginnt sie, sich umständlich hochzurappeln. Ihre Gelenke
fühlen sich steifgefroren an. Sie spürt seine Nähe. Er hilft ihr hoch. Als sie
sich aufgerichtet hat, blickt sie ihm in die schönen Augen. „Ulman. Wärst du
doch nur nicht so verdammt umsichtig und zurückhaltend. ... Wenn du mir nicht
ausgewichen wärst ... Uns hat etwas eingeholt, über das wir schon viel früher
eine Entscheidung hätten treffen müssen, ... das ich längst erloschen glaubte!“
    „Joan, mein Auftrag war, dich
zu töten. Ich durfte dich nicht mehr sehen. Obendrein glaubte ich, du hättest
mich grob abgewiesen“, erwidert er eindringlich.
    Seine Worte kommen ihr seltsam
bekannt vor. Sie lacht gequält auf, als ihr einfällt, woher. „Ich kenne die
Verse des Liedes“, meint sie grimmig. Zu ihrer Bestürzung rinnen ihr die Tränen
wie in Bächen über die Wangen. Sie reißt sich fuchtig von ihm los. „Es ist zu
spät. Ich habe mich für deinen Bruder entschieden. Aus tiefstem Herzen schwor
ich ihm ewige Liebe. Ich kann mein Herz nicht in zwei Teile reißen, auch wenn
es sich gerade ebenso anfühlt.“
    Er nickt schweigend, wobei er
über ihre Schulter hinweg zur Festung blickt. „Ich bin es gewohnt, gegen einen
Farwick zu verlieren. Es ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.“
    „Hör auf“, wispert sie. „Du
selbst bist ein Farwick.“
    Er schüttelt unmerklich den
Kopf. „Ich fühlte mich nie wie einer von ihnen. Man wusste das gut zu
verhindern“, raunt er und schenkt ihr auf ihre betretenen Blicke hin ein
trauriges Lächeln. „Abgesehen davon, dass Kinder morganatischer Ehen nach dem
Familiennamen ihrer Mutter benannt werden, folgen sie auch der ärgeren Hand.
Ich bin ein Haywood, blieb im geringeren Stand meiner Mutter“, erklärt er leise
mit beinahe gleichgültigem Ton. Ihre Blicke treffen sich erneut, und er
begegnet ihr mit einem verlorenen Lächeln. „Joan, ich werde bald gehen. Ich
habe gelernt, dich überall auf der Welt zu lieben, in jedem Windzug, jeder
schönen Blume oder im Gesang eines Vogels.“
    Seine Worte bereiten ihr Pein.
Insgeheim verflucht sie nun seine dichterische Gabe. Dieses Geschick, alles so
überaus klar in bildhafte, ausdrucksstarke Worte zu fassen. Doch gerade seine
Feinsinnigkeit war es ja, die sie für ihn einnahm. Sie wendet sich verzagt von
ihm ab und fährt sich über die Augen. In ihrem Herzen spürt sie eine
übermächtige Leere.
    „Deine Hoffnung hat sich
erfüllt“, bemerkt sie verbittert. „Ich bewies dir meine Liebe, noch bevor du
gehst. ... Dennoch.“ Sie wendet sich zu ihm herum. „Hättest du mich doch nicht
geküsst, Ulman. Ich fürchte, ich werde nie wieder froh.“
    Er nickt. „Nun weißt du, wie es
mir seit Jahren ergeht.“ Er bemerkt, wie sie vor Kälte schlottert und nickt zum
Ufer. „Komm, Joan.“
    Sie lesen ihre Schwerter auf
und stecken sie weg. Ulman hilft ihr in den halbwegs trockenen Gambeson, bevor
sie sich schweigend in Bewegung setzen.
    Nie hätte Joan es für möglich
gehalten, dass in ihr solch überwältigende Gefühle für Ulman schlummern
könnten. Er hat sie nun geweckt. Der Mann, für den sie einst unschuldig
schwärmte und den sie dann für die Ausgeburt des Bösen erachtete. Dass sie das
Schicksal wieder zusammen führte, kann nicht nur einer Laune Fortunas entsprechen.
Dennoch ist es kaum zu begreifen. „Ulman. Warum hast du damals

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