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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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wie sie einst den an der London Bridge aufgespießten,
geteerten Kopf von Wallace erblickte.
    „Er hat ihnen jedoch diese
verdammten Schiltrons hinterlassen“, gibt Gerold zu bedenken.
    „Schiltrons?“ Der Begriff ist
Joan völlig neu.
    Malcom neben ihr nickt.
„Fußtruppen mit fünfzehn Fuß langen Speeren. Wenn sie sich dicht an dicht in
geschlossener Formation einigeln und geschickt angeordnet sind, reiben sie die
schwerste Reiterei auf. Wir haben vergeblich versucht, gegen sie anzurennen.
Ihnen ist nur mit Langbögen beizukommen, um Lücken in ihre Reihen zu reißen.
Dann erst kann man sie mit Panzerreitern niedermachen.“
    Joan entsinnt sich plötzlich,
dass ihr Vater einst davon erzählte, wie diese Igeltruppen bei Stirling Bridge
die schwere Reiterei, welche es gewöhnt ist, einzelkämpferisch und
unkontrolliert vorzustürmen, um wie eine gepanzerte Apokalypse alles
niederzureiten, was ihnen in den Weg kommt, geradezu mit ihren langen Lanzen
aufgespießt hatten. Sie hatten letztlich die Schlacht entschieden, tausenden
Rittern das Leben gekostet, diese Elitetruppe, welche im Normalfall stets nur
mit geringen Verlusten rechnen muss, fast völlig niedergemetzelt. Man sah nach
diesem Ereignis nicht nur in England die sonst so geschmähten Fußtruppen in
einem ganz neuen Licht.
    „Unsere Niederlage bei Stirling
Bridge lag vor allem am Unvermögen von Warrene und Cressingham, den englischen
Heerführern“, erklärt ihr Malcom zu ihrer Überraschung.
    Gerold lacht verhalten.
„Warrene als unser Oberbefehlshaber verschlief den Beginn der Schlacht.“
    Malcom winkt ab. „Sie begingen
etliche unverzeihliche Fehler. ... Ihr größter war die ihnen eigene Arroganz.
Sie glaubten, leichtes Spiel mit den Schotten zu haben und ritten all jene ins
Unglück, auf die sie am meisten gebaut hatten: uns Panzerreiter. ... Wie man
die Schiltrons unschädlich machen kann, musste ihnen erst ihr König bei Falkirk
vor Augen führen.“
    Gerold wiegt bedeutungsvoll den
Kopf. „Wie schon ein alter Spruch besagt: niemand ist schneller vernichtet als
der, welcher nichts fürchtet.“
    Joan hat das Kinn auf die
angezogenen Knie gestützt und blickt nachdenklich ins Feuer, das unter Malcoms
erneutem Stochern Funken in den Nachthimmel versprüht.
    Guy und
Edmund sind ob der kleinen Lektion auffällig schweigsam geworden.
    Sie haben den Tyne in Corbridge überquert und blicken auf
den Hadrianswall. Die Befestigungsanlage, einst von den Römern gegen die
feindlichen keltischen Stämme der Pikten errichtet, zieht sich von der West-
bis zur Ostküste Englands, vorbei an Carlisle, Newcastle bis nach Wallsend am
Mündungsgebiet des Tyne, quer durchs Land. Hier im Osten ist der Wall aus Stein
gefügt, etwa drei Schritt breit, annähernd mannshoch und längst verfallen. Die
alte Römerstraße wird sie weiter über die östlichen Ausläufer der Cheviot Hills
bis zur Niederung des Tweed, der hiesigen Grenze zu Schottland, direkt nach
Berwick an der flachen Ostküste führen. Dort, am ebenen Unterlauf des Tweed,
sammelt König Edward II sein Entsatzheer.

Im Heer
    Joan hat
sich gelassen auf dem Rücken ihres Rappen zurückgelehnt, ein Bein hochgezogen
und im halben Schneidersitz gegen den Sattelknauf gelegt. Gemächlich kaut sie
auf dem entrindeten Ende eines dünnen Birkenzweiges herum, so dass dieses
komplett bürstenartig auffasert, kürzt die weichen Fasern mit ihrem Dolch auf
eine einheitliche Länge und putzt sich dann damit wie beinahe jeden Morgen die
Zähne. Die Römerstraße führt sie durch das hügelige Gebiet der Lowlands im
Süden Schottlands. Den Riegel der Southern Uplands haben sie bereits hinter
sich, steuern nun die weit ausladende Niederung des Midland Valley mit den
dortigen Städten Glasgow nahe der Westküste, Edinburgh im Osten am Meeresarm
Firth of Forth und Stirling weiter nordwestlich davon an.
    Das Heer kommt nur schleppend
langsam voran. Gleich eines viele Meilen langen Lindwurmes windet es sich auf
der Römerstraße gen Norden. Die Fußsoldaten hindern sie an einem schnelleren
Tempo, obwohl diese alles geben. Säumer, das lebende Schlachtvieh und die über
zweihundert bemerkenswerten Wagen des Trosses, von jeweils vier Pferden oder
acht Ochsen gezogen und mit Waffen, Proviant, Zelten sowie Koch- und weiterem
Kriegsgerät beladen, tun ihr übriges. Desweiteren die mitgeführten Weiber und
Kinder vieler Soldaten, die Metzger, Köche, Schmiede, Gaukler und die Huren mit
ihren bunten Bändern um die Handgelenke.

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