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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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kräftigen Strömung ebenso willkürlich
ausgesetzt ist, wie sie. Dass sie erbarmungslos abgetrieben werden, kann Joan
nicht in ihrer Bedachtsamkeit stören. Sie ist die Ruhe selbst, überlegt gar
groteskerweise, warum die Strömung plötzlich so heftig ist. Der Fluß scheint im
Vergleich zum gestrigen Tage stark angeschwollen. Man könnte meinen, die
Schotten hätten die Naturgewalten heraufbeschworen, sich mit diesen gegen sie
verbündet. Doch sicher liegt es an der Flut, die Meereswasser durch den Firth
of Forth, dann den Forth hinauf und anschließend in dessen Zuflüsse treibt. ...
Auch wenn es sich auf diese Weise erklären lässt, bleibt doch ein ungutes
Gefühl. Denn obwohl sie es sich nur ungern eingesteht, so ist es doch gewiss,
dass sich der Herr heute von den Engländern abgewandt hatte und mit den
Schotten war.
    Brix schwimmt unter Malcoms
Gewicht nur leidlich gut. Besonders die Strömung macht ihm zu schaffen, welche
ihm die Beine vom weichen, torfigen Grund des Flusses wegreißt. Oft vermag er
sich jedoch von diesem abzustoßen und kommt dadurch ein gutes Stück voran,
zerrt Joan dabei mit sich in Richtung auf das rettende Ufer zu. Sie hängt an
ihm wie ein schlaffes, willenloses Bündel. Denn ihre Kräfte haben sie sehr
schnell verlassen. Brix ist für sie und Malcom der Fels in der Brandung, ihre
einzige Chance, dieser Strömung lebend zu entkommen. Das treue, gewaltige Tier
reckt den Hals, um den Kopf so weit wie möglich über Wasser zu halten. Immer
wieder prallt Joan mit schlaffen Körpern zusammen, die stromabwärts treiben. Es
scheinen hunderte Toter zu sein. Sie beginnen, sich an manchen Stellen im Fluß
zu sammeln, so dass die Fliehenden versuchen, sie als Brücke zu nutzen.
    Als sie endlich das andere Ufer
erreichen, verharrt Brix mit bebenden Flanken in seichterem Wasser, um zu
Kräften zu kommen. Doch Joan gönnt sich und ihm nur eine kurze Verschnaufpause.
Schnell überblickt sie, dass der schilfbestandene, sumpfige Ufersaum hier
breiter ist, als an ihrer Einstiegsstelle und macht sich auf einen
anstrengenden Marsch gefasst.
    Dann bemerkt sie, dass es sich
auf den buckeligen Grassoden viel leichter läuft, als im umgebenden
trügerischen Gras, Moos oder im tückischen Torf, worin sie meist bis über die
Knie versinkt. Einmal gar bis zum Schritt, so dass sie sich nicht mehr selbst
befreien konnte und sich von Brix wieder herausziehen lassen musste. Nun jedoch
hat das schwere Schlachtross seine liebe Not, ihr zu folgen. Würde sie Brix
nicht stets mit aufmunternden Worten nachdrücklich an den Zügeln ziehen, hätte
er vermutlich längst aufgegeben. Schwerfällig zieht er die Beine aus dem saugenden
Morast. Sie erwägt bereits, ihm den Rossharnisch abzunehmen, als sie festeren
Untergrund spürt. Mit einem Male sind sie aus dem Sumpf heraus. Ein erster
Blick zurück bezeugt ihr, dass es in der Nähe nur Wenige geschafft haben.
    „Schnell Joan“, drängt Malcom
beunruhigt, während er sich umständlich hinter den Sattel setzt. „Wir müssen
schleunigst auf die Hochebene.“
    Behände schwingt sie sich vor
ihm in den Sattel und lenkt Brix am nur mäßig festen Ufer des Bannock Burn gen
Westen in Richtung auf New Park zu. Sie befinden sich inmitten panisch
fliehender Fußsoldaten. Als Landsmänner sind diese kaum noch zu erkennen, denn
ihre einst hellen Waffenröcke sind schlammverschmiert.
    Die Böschung zu ihrer Linken
ist hier besonders steil und zwingt sie auf der Suche nach einem flacheren
Aufstieg weiter nach Westen. Joan treibt Brix ohne Rücksicht auf Malcoms
Verletzungen zum Galopp an. Sie bangt darum, dass man ihnen nicht den Weg zur
Hochebene abschneidet. Denn wenn sie es nicht dort hinauf schaffen, bleibt
ihnen der Ausweg aus der Niederung versperrt. Unmöglich, diese zum Meeresarm
hin zu verlassen, wo sich die ausgedehnten Sumpfgebiete des Forth erstrecken.
    Als die Böschung allmählich
zugänglicher wird, keimt Hoffnung in Joan auf. Das fliehende Fußvolk haben sie
hinter sich gelassen. Vor ihnen sprengen weitere Reiter her und biegen
plötzlich nach links auf den schmalen Pfad, der auf den Abhang hinauf führt.
Sie folgen ihnen einfach hinterher. Brix keucht unter dem enormen Gewicht. Joan
muss schließlich absitzen, um ihn zu erleichtern und führt ihn das letzte Stück
auf die Hochebene hinauf. Schwer keuchend wendet sie sich zu Malcom um, der
sich am Sattel festklammert. Seine Schmerzen müssen enorm sein. Sie gönnt ihm
eine kurze Rast, damit er sich ein wenig von den

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