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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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enttäuschen, wagt
kaum, sich auszumalen, was im Falle ihres Versagens geschehen könnte.
Vermutlich würde sie ihn in der Tat nie wieder sehen. Und ihren Vater ebenfalls
nicht. Dann war alles umsonst. ... Tapfer versucht sie, sich zusammen zu
reißen. Sie darf nicht nachdenken. „Malcoms Geheiß folgen“, betet sie sich
immer wieder vor. „Oh Herr, mein Schicksal liegt in deinen Händen. Bitte führe
mich. ... Und bitte beschütze Malcom!“
    Joan verlässt das Auenwäldchen
in gemächlichem Galopp. Die Sonne brennt heiß. Ein Fasan fliegt erschreckt kurz
vor Brix’ stampfenden Vorderläufen auf. Doch dieser setzt seinen Weg
unbeeindruckt fort. Joan beabsichtigt, sich später irgendwo zu verstecken. Im
Moment möchte sie jedoch der Horde Schotten, welche sich im Hain herumtreibt,
entkommen. Sie wagt nicht, weiterhin an Malcom zu denken. Denn es würde nichts
mehr ändern und sie nur ablenken. Sie verdrängt jeden Gedanken an ihn, fest
entschlossen, schnellstens Northumberland und Farwick Castle zu erreichen. Ihr
Blick schweift über die Ebene hinauf zur Sonne, aus deren Stand sie die
südliche Richtung abzuleiten vermag. Plötzlich ergreift Unruhe von ihr Besitz.
Verbissen kämpft sie dagegen an, dass wieder ihre Angst um Malcom die Oberhand
gewinnt. Doch ein letztes Mal wendet sie sich zum Wäldchen um. ... Und keinen
Augenblick zu früh. Man hat sie offensichtlich längst bemerkt, was sie über
ihre Unaufmerksamkeit fluchen lässt. Vom Waldrand her bewegen sich zwei Reiter
rasend schnell direkt auf sie zu. Joan schlägt Brix die Fersen in die Seiten,
worauf sie nach vorn schnellen. Nun kommen sie erst richtig in Schwung.
Pfeilschnell bewegen sie sich vom Wald weg nach Süden. Joan hat sich an Brix
geschmiegt. Unter ihrem angewinkelten Arm hindurch blickt sie nach hinten. Ihre
Verfolger sind ihnen auf den Fersen. Doch Brix ist ausgeruht und schnell wie
der Wind. In gestrecktem Galopp können sie die Reiter mühelos abhängen.
    Joan atmet erleichtert auf.
Sicher sind sie sehr enttäuscht, das kostbare Schlachtross verloren zu haben.
Sie sind stehen geblieben, haben sich in ihren Steigbügeln aufgerichtet und
sehen ihr nach. Erst, als sie längst außer Sicht sind, wagt Joan, Brix in
leichten Galopp zurückfallen zu lassen. Sie hält nach einem Versteck Ausschau.
Doch außer ein paar verstreuten Hecken bietet sich ihr diesbezüglich nichts.
Die Ruinen eines Einzelgehöftes indes verschmäht sie. Es wäre ein zu
offensichtliches Versteck. Offenbar wurde der Hof erst kürzlich überfallen, wie
die noch schwelenden, verkohlten Reste von Wohnhaus, Stallungen und Scheune
bezeugen. Sicher das Werk ihrer Landsleute auf dem Vormarsch zur Schlacht.
Beklommen lässt sie die Ruinen hinter sich und treibt Brix wieder etwas an.

Vermeintlich
allein
    Die Sonne steht
im Zenit. Joan hat soeben ein kleines Moor umrundet. An einem Bachanschnitt
sitzt sie unter einer uralten Weide ab. Sie befindet sich in einer kleinen, vor
Blicken geschützten Flussniederung, in der sie bis zur Dunkelheit ausharren
will.
    Ihr knurrender Magen vermag
nichts dazu beizutragen, ihre dunkle Stimmung ein wenig zu heben. Der Umstand,
dass sie bis auf ihren Dolch unbewaffnet ist, ebenso wenig. Sie nutzte keine
Straßen oder Wege und umrundete die Dörfer in gehörigem Abstand. Dies will sie
ändern, sobald sie in der schützenden Dunkelheit weiterreitet. Dann wird sie
versuchen, sich nach Osten zur Römerstraße durchzuschlagen. Schließlich möchte
sie vorankommen. Sie hat beschlossen, in spätestens zwei Tagen dieses
verfluchte Land verlassen zu haben.
    Joan
trinkt wie Brix vom bräunlich klaren Wasser des Baches, um anschließend ins
Blätterdach der alten Weide hinaufzuklettern. Deren mächtiger Stamm ist im
oberen Bereich hohl und dient Joan als willkommenes Versteck. Im Stamm sitzend
kann sie gerade noch darüber hinausblicken. Das Innere des Baumes wimmelt zwar
von allem erdenklichen Ungeziefer, ist jedoch so geräumig, dass sie gar ihre
Beine im Sitzen ausstrecken kann. Indem sie Brix beim Grasen beobachtet
versucht sie angestrengt, nicht einzuschlafen. Aber schließlich misslingt es
ihr doch.
    Joan
schreckt in der Dunkelheit hoch. Die breite Sichel des zunehmenden Mondes
spendet ausreichend Licht, in dem sich Joan verwirrt zurechtzufinden versucht.
Dann überkommt sie die Erinnerung wie ein heftiger Schlag in die Magengrube.
Beim Gedanken an Malcom wird ihr das Herz schwer. Hätten sie doch nur ein wenig
besser auf Brix Acht gegeben! Mit einem

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