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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Schwertes
durchtrennt sie den Strick an Brix’ Hals. Sie missachtet das Rascheln des
Grases hinter sich, will sich nur noch schnell auf den Rücken des Tieres
schwingen. Das Letzte, was sie noch wahrnimmt, ist ein eigentümliches Pfeifen
durch die Luft. Entsetzt versucht sie, nach links auszuweichen, als ihr zu spät
einfällt, dass sie es mit einem Linkshänder zu tun hat. Ein dumpfer Schlag
wirft ihren Kopf nach rechts und lässt es urplötzlich vollends dunkel werden.

Gefangen
    Joan kommt
wie benebelt zu sich und ringt sogleich halb erstickt nach Atem. Sie liegt
bäuchlings auf einem Pferd, ist an Händen und Füßen gefesselt. Überdies
geknebelt und man hat ihr einen muffigen Sack über den Kopf gestülpt. Offenbar
wollte man ganz sicher gehen, dass sie keine Schwierigkeiten mehr macht. Mit
jedem Schritt des Tieres unter ihr meint sie, ihr würde der Kopf zerspringen.
Sie bekommt kaum Luft und glaubt zu ersticken. Schwer an ihrem Knebel würgend
kämpft sie die aufsteigende Panik herunter. Sie zwingt sich zur Ruhe. Durch
nichts soll erkennbar sein, dass sie bei Bewusstsein ist. Vielleicht kann sie
sich daraus einen Vorteil verschaffen. Sie betet, dass sie bald ankommen mögen,
wo immer es sei. Dann konzentriert sie sich auf ihre Umgebung, um sich
abzulenken. Es muss helllichter Tag sein, nach der Wärme der Sonne zu
schließen, die auf ihren Rücken strahlt. Sie kommt annähernd senkrecht von
oben, wie Joan beinahe ungläubig feststellt. So muss sie lange bewusstlos
gewesen sein. Durch den dichtgewebten Sack über ihrem Kopf fällt nur wenig
Licht. Offenbar hatte man zuvor Brot in ihm gelagert, nach dem restlichen Mehl,
an dem sie zu ersticken droht, und dem Duft zu urteilen. Ihr krampft sich der
Magen schmerzhaft zusammen. Ihre letzte Mahlzeit hatte sie zusammen mit Malcom
vor etwa zwei Tagen eingenommen. Wie sehnt sie sich nun nach einem Bissen
Fisch. Verbittert muss sie an Malcoms Worte denken, die ihr das voraussagten.
Irgendwann wird ihr bewusst, dass sie auf Brix liegen muss. Einen anderen
Menschen außer Malcom und ihr würde er nicht auf seinem Rücken zulassen.
    Die beiden
Schotten unterhalten sich. Ihre Sprache kommt ihr eigenartig vertraut vor. Doch
versteht sie nur ein paar Brocken. Sie glaubt herauszuhören, dass sie es nicht
mehr weit haben. Hoffnung keimt in ihr auf.
    Joan ist am
Rande der Verzweiflung. Sie hat grenzenlosen Durst. Mittlerweile schmerzt ihr
der Kopf ohne Unterlass. Sie haben ein größeres Tempo angeschlagen. Es rüttelt
sie durch und durch. Jegliches Gefühl für Zeit ist ihr abhanden gekommen. Ihr
ist, als läge sie schon hundert Jahre so. Dann bemerkt sie, dass sie langsamer
werden, sie sich etwas zur Seite neigt. Es geht vermutlich steil bergan. Die
Hufeisen klappern auf einem gepflasterten Weg, bis das Geräusch abklingt, da
sie stehen bleiben. Die Männer unterhalten sich heiterer Stimmung mit jemandem.
Kurz darauf geht es weiter bergan. Der Klang der Pferdehufe hallt wieder, sie
scheinen durch ein Burgtor zu reiten. Nach kurzem erfolgt ein weiterer Halt.
Wieder erklingen Männerstimmen und das Wort Farwick fällt. Es lässt Joans Herz
höher schlagen. Malcom muss hier sein. Sie setzen sich erneut in Bewegung. Brix
unter ihr rutscht flüchtig auf dem Pflaster aus. Es muss wirklich steil sein.
Der Innenhof ist scheinbar groß, nach dem Schall zu urteilen.
    Endlich bleiben sie stehen. Die
Männer sitzen ab. Sie wird an den Beinen gepackt und vom Pferd gezogen. Jemand
wirft sie sich sogleich über die Schulter, um sich mit ihr in Bewegung zu
setzen. Er riecht abscheulich nach einem Gemisch aus Schweiß, Knoblauch, Rauch
und Ale.
    Sie sind in einem Gebäude und
laufen treppab. Es ist kühl geworden. Sie gewahrt den Geruch von feuchten
Mauern. Seine Schritte hallen dumpf von engen Wänden wieder. Irgendwann bleibt
er plötzlich stehen. Sie vernimmt ein Schnarchen. Er beugt sich nach vorn und
schlägt laut auf irgend etwas, so dass das Schnarchen verstummt. Ihr Träger
unterhält sich mit einem anderen Mann mit greiser Stimme. Wieder fällt der Name
Farwick, woraufhin Schlüssel klirren. Sie wird noch kurz weitergetragen. Dann
vernimmt sie das schwere Schleifen zurückgezogener Türriegel. Ein Schlüssel
dreht sich in einem Schloss und eine Tür öffnet sich knarrend. Man trägt Joan
weiter, um sie im nächsten Moment unsanft auf die Füße zu stellen. Sie steht
auf weichem, raschelnden Stroh. Als ihr endlich der Sack vom Kopf gezogen wird,
atmet sie befreit auf. Es ist

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