Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
Vom Netzwerk:
müssen.
    Â»Ja doch! Moment!«, rief sie durch das Rauschen des einlaufenden
Wassers zurück.
    Dann hörte er ihre Schuhe übers Linoleum tappen.
    Â»Was gibt es denn?«
    Rost öffnete die Augen.
    Â»Ich brauche Papier und Stift. Beides in meiner Jacketttasche,
innen.«
    Die Schwester seufzte.
    Â»Ist das alles?«
    Ob er eine zusätzliche Decke verlangen sollte? Nein. Erstens wäre
die auch wieder weiß wie Schnee, und zweitens würde er die gleich ohnehin nicht
mehr brauchen.
    Die Schwester öffnete den Schrank und kramte in Rosts Sachen herum,
kam mit einem kleinen Kellnerblock, von denen Rost einen Vorrat von Hunderten besaß,
und einem roten Kugelschreiber zurück.
    Â»Wofür ist die Badewanne?«, wollte er wissen.
    Â»Zum Baden«, sagte die Schwester schlicht.
    Â»Für mich?«
    Â»Nein.«
    Dann ging sie wieder hinüber, schloss die Tür hinter sich. Eine
Sekunde später wurde das Wasser ausgestellt.
    So war das also. Die Wanne, das kochende Wasser, der Geruch nach
Suppe im ganzen Haus, der ihm nach so vielen Jahren wieder in die Nase stieg,
der Schwindel im Kopf, die Übelkeit, als er die Treppe hinaufgewankt war, im
ersten blassblauen Licht, das durch die Terrassenfenster hereingefallen war.
Wie er die Badezimmertür geöffnet hatte, um sich zu übergeben. Er hatte es
nicht bis zur Toilette geschafft. Sebastians Körper war gar gewesen, und der
uralte Föhn hatte das Wasser um und um gewälzt wie ein Tauchsieder. Und dann
war Dave gekommen und hatte ihn gerettet.
    Draußen begann feiner Regen gegen das Fenster zu tröpfeln, und Rost begann
zu schreiben.
    Janinas Stirn hinterließ einen schmierigen Schweißfilm auf
der Scheibe, als eine scheppernde Lautsprecherstimme »Krankenhaus Neukölln«
ankündigte und sie aufstand um auszusteigen. Sie schwitzte, obwohl es für
Hochsommer unangenehm kalt war und ein feiner Regen alles klamm und feucht
machte. Die Haare klebten ihr flach am Kopf und ihre Kleidung verströmte einen
unangenehm sauren Geruch. Sie hatte zu viel Zeit verloren, hatte viel zu lange
in ihrem Zimmer gehockt und sich immer wieder den Wahnsinn auf ihrer Mailbox
angehört und darüber nachgedacht, wie sie an Josef herankommen konnte. Nicht
körperlich, das war einfach. Es ging darum, den Menschen zu erreichen, der
einmal ihr Freund gewesen war, der sich um Simon gesorgt hatte. Sie hatte zwischen
Angst und Wut geschwankt, zwischen dem Wunsch, ihm Gewalt anzutun, Demut und
diplomatischen Strategien. Aber sie war zu keinem Entschluss gekommen. Sie
hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie sich verhalten würde. Sie würde
einfach dafür sorgen, dass er ihr sagte, wo Simon war. Und für alle Fälle war
da noch die Schneiderschere in ihrer Handtasche.
    Janina umfasste die Griffe mit der Faust, als sie durch das
Krankenhausfoyer ging und in den großen, silbernen Fahrstuhl trat. Vielleicht
hatte Rost noch Angst vor Schmerzen. Sie hoffte, dass er bei Verstand war.
    Auf der Station hallten ihre Schritte laut durch den weißen
Korridor, und Janina wünschte, sie hätte Turnschuhe angehabt. Obwohl es ohnehin
unmöglich sein würde, sich hier lange zu verstecken, falls es nötig werden
sollte. Es war zu viel Betrieb, Schwestern, Ärzte, Besucher, Patienten. Das
Gute daran war, dass niemand sie ansah, dass niemand sie aufhielt oder Fragen
stellte.
    Sie klopfte nicht an, sondern schlüpfte einfach durch die Tür und
zog sie schnell wieder zu. Vielleicht sollte sie einen Stuhl unter die Klinke
stellen. Aber das ergab nur Sinn, wenn die Tür sich nach innen geöffnet hätte.
Außerdem würde es Aufmerksamkeit erregen, und sie musste einen möglichst
normalen Anschein erwecken.
    Das bedeutete auch: lächeln, bevor sie sich zu Josef umdrehte. Ihm
ein freundliches Gesicht zeigen. Es gelang ihr nicht sofort, sie musste sich
erst sammeln.
    Aber er war nicht da. Rosts Bett war leer.
    Ein Tropfständer stand dort, zwei Infusionsschläuche hingen daran
herab, einer lag auf dem Bett, der andere war auf den Boden gerutscht. Auf dem
weißen Bettzeug waren Blutflecken.
    Und nicht nur dort. Janinas Blick folgte der Spur kleiner, hellroter
Tropfen, die vom Bett wegführte, durch eine weit geöffnete Tür am Fußende.
    Dahinter war ein Badezimmer. Janina hörte Wasser rauschen, konnte
aber nichts erkennen, ein Vorhang versperrte die Sicht.
    Â»Josef?«, rief sie.
    Keine

Weitere Kostenlose Bücher