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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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Antwort. Janinas Blick folgte der Blutspur. Sie führte zur
Wand, über dem Fliesenspiegel hellgrüne Tapete, und auf der Tapete ebenfalls
Blut. Nicht viel, aber es gehörte dort nicht hin. Ebenso wenig, wie die Lampe
auf den Boden gehörte, das herausgerissene Kabel, das sich durch den Raum
spannte. Das hinter dem Vorhang verschwand.
    Â»Josef?«, rief Janina noch einmal.
    Nichts.
    Janina wusste, was sie erwartete, bevor sie hinter den Vorhang
schaute, und darum schrie sie auch nicht, als sie Josef in der Wanne entdeckte,
das nackte Kabelende fest in der Linken, die Augen geöffnet. Der starre Blick
schien überrascht. Wasser prasselte hinab und lief durch das Überlaufventil ab.
    Janina zog den Vorhang wieder zu, ging zurück in Josefs Zimmer,
setzte sich auf das befleckte Bett, drückte die Notfallklingel und wartete.
    Auf dem Nachttisch lag ein Kellnerblock. Drei Sätze waren darauf
geschrieben:
    Letzter Wille
    Janina Zöllner und Dave Warschauer sollen
gemeinsam mein begonnenes Werk » Red Shoes « beenden. Ich vertraue auf ihre Loyalität und ihr Können.
    Simon Zöllner erbt, was ich an materiellen Gütern
hinterlasse.
    Josef Rost
    Janina saß immer noch auf dem Bett, als die Schwester kam und sie
missbilligend ansah.
    Â»Besuch hat auf Patientenbetten nichts zu suchen.«
    Â»Er ist in der Badewanne«, sagte Janina schlicht.
    Die Schwester schrie ebenfalls nicht. Sie stellte einfach
das Wasser ab und kam zurück.
    Â»Haben Sie ihn so gefunden?«
    Janina nickte.
    Â»Brauchen Sie ein Beruhigungsmittel?«
    Brauchte sie ein Beruhigungsmittel? Janina wusste es nicht. Nein,
eher nicht. Sie musste bei klarem Verstand sein, sie musste nachdenken.
    Â»Vielleicht sollten Sie …«
    Â»Maul halten«, murmelte Janina.
    Â»Bitte«, sagte die Schwester ein wenig spitz. »Warten Sie hier, ich
bin gleich zurück.«
    Â»Maul halten.«
    Janina wiederholte diese beiden Worte, bis die Schwester mit
weiteren Leuten in Weiß zurückkam und sie nach nebenan gingen, um Josefs Körper
aus der Wanne zu holen. Und dann wurde ihr klar, dass Maul halten nicht reichen
würde.
    Wer auch immer Rosts Stimme benutzte, sie brauchte einen Plan.
    Niemand hielt sie auf, als sie Rosts letzten Willen auf den Nachttisch
zurücklegte, aufstand und das Krankenhaus verließ.
    Janina Zöllner wirkte wie eine Schlafwandlerin. Sie bemerkte
ihn nicht, obwohl er dicht an ihr vorbeiging. Helge hatte nicht damit
gerechnet, ihr hier vor dem Krankenhaus zu begegnen, eigentlich hätte sie im
Bettenhaus des Flughafens bleiben müssen, wie alle anderen auch. Er hätte sie
ansprechen, aufhalten müssen. Aber er war unschlüssig. Wahrscheinlich würde er
mehr darüber herausbekommen, was vorging, wenn er sie in Ruhe ließ und nur
beobachtete. Nur ging das nicht, weil er ihr dazu hätte folgen müssen, er aber
gleichzeitig nach oben musste, wo mit Josef Rost die dritte Leiche in zwei
Tagen auf ihn wartete. Helge unterdrückte einen Fluch. Was für ein
riesengroßer, dampfender Scheißhaufen das alles war!
    Er traf eine Entscheidung. Frau Zöllner war in diesem Moment
wichtiger als Josef Rost. Der konnte ja nicht mehr davonlaufen.
    Janina Zöllner bemerkte nicht, dass er wie sie in den Bus stieg, der
sie am Flughafen vorbei nach Kreuzberg brachte. Helge wünschte, er hätte sich
näher an sie herangesetzt, um hören zu können, wen sie anrief.
    Dave war nicht leicht zu überzeugen gewesen, Kommissar
Schulz’ Anweisungen zu übertreten und den Flughafen zu verlassen. Im Keller der Starbar war das Licht schummrig, und obwohl es
draußen erst später Nachmittag war, hatte Janina das Gefühl, es sei mitten in
der Nacht. Es kam ihr vor, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen, doch wenn
sie sich konzentrierte, klappten Lächeln und Nicken trotzdem noch ganz gut.
Auch das Glas konnte sie halten, um gelegentlich daran zu nippen. Wenn nur das
Denken nicht so schwer gewesen wäre.
    Â»Weißt du …«, sagte Dave und hob zwei Finger und dann den Daumen, um
dem Kellner zu signalisieren, dass sie noch zwei Mai Tai wollten. »Das ganze
Leben ist Tanz. Alles besteht aus Rhythmus, Spannung, Spin. Licht bewegt sich
spiralig. Wusstest du, wie aus Licht Materie entsteht?«
    Janina lächelte und schüttelte den Kopf.
    Â»Das passiert, wenn sich die Spirale selbst in den Schwanz beißt und
das Licht dann

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