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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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für ihn kein Entrinnen gab. Nicht heute. Er würde es
tun. Ein allerletztes Mal. Man sollte die Dinge im Leben ordentlich zu Ende
bringen.
    Hanno Lang nickte Rost kaum merklich zu, stand auf und verschwand
Richtung Toiletten. Rost wartete eine Minute und folgte ihm dann. An den
Toilettentüren vorbei durch den Notausgang hinaus, eine Treppe tiefer in die
Eingeweide unter dem Flughafen hinein.
    Â»Lange nicht gesehen«, sagte Hanno Lang und bot ihm eine Zigarette
an.
    Â»Sind Sie schon immer hier?«, wollte Josef Rost wissen.
    Lang zuckte die Achseln.
    Â»Wie alt?«, fragte er.
    Â»Zwölf«, würgte Rost heraus.
    Â»Zweihundertfünfzig. Raum sechs, eins tiefer. Fünfzehn Minuten.«
    Rost gab Lang das Geld aus dem Umschlag in seiner Innentasche. Seine
Beine fühlten sich an, als hätte er seine Knochen im Eldorado zurückgelassen, als er die Treppe hinunterging. Es war unangenehm warm hier,
und je tiefer er kam, desto dumpfer wurde die Luft. Er stemmte eine braun
lackierte Stahltür auf, dahinter ein gekrümmter Gang, schmal, niedrig, und
rechts gingen die Türen ab. Nummer sechs.
    Eine Kammer, weiß getüncht. Pornografische Poster an den Wänden,
viele große, rosafarbene Schwänze und die verschiedensten Arten Löcher, in die
sie hineingesteckt wurden.
    Ein gepolsterter Stuhl, eine mit einem gelben Laken bezogene
Matratze, ein Papierlampenschirm unter der niedrigen Decke. Und in der Ecke ein
Junge. Weißblond. Eher vierzehn als zwölf, aber das war Rost jetzt egal.
    Der Junge schloss die Tür und öffnete ohne weitere Umstände Rosts
Hose. Er spürte warme Hände und erschauerte. Aber er war bereit, es zu tun. Er
würde es tun. Jetzt!
    Er schob den Jungen weg.
    Â»Was ist?«, lispelte der mit einer noch hohen Kinderstimme.
    Rost griff in seine Innentasche und holte den Umschlag heraus.
    Er würde es tun, genau wie er es Janina oder sich selbst oder von
ihm aus auch irgendeinem verfickten schnauzbärtigen Gott versprochen hatte.
    Â»Ich … wollte mich entschuldigen. Es tut mir leid. Nimm.«
    Â»Was ist das?«
    Â»Geld.«
    Â»Wofür?«
    Rost zuckte die Achseln.
    Â»Du könntest abhauen.«
    Der Junge glotzte ihn mit offenem Mund an. Er schien vorne keine
Zähne zu haben, und Rost schüttelte es vor Verlangen und Abscheu. Dann warf er
den Geldpacken auf die gelbe Matratze.
    Â»Verpiss dich«, sagte er.
    Und ging.
    Und das tat gut, obwohl ihm Tränen die Wangen runterliefen.
    Er hatte es geschafft. Er war gegangen. Er hatte den Jungen nicht angefasst.
Rost hoffte, dass ihm das vor dem Jüngsten Gericht als mildernder Umstand
ausgelegt wurde. Und entschuldigt hatte er sich auch.
    Der Zuhälter wartete vor dem Zigarettenautomaten. Rost ging wortlos
an ihm vorbei zurück ins Eldorado . Wozu waren die ganzen
Bullen hier eigentlich zu gebrauchen. Wahrscheinlich waren die selbst alle Kunden.
    Dave wartete bereits auf ihn. Lächelte ihm entgegen. Neben
ihm saß eine schmale Frau. Eindeutig Tänzerin. Rost hatte sie schon mal
irgendwo gesehen. Ach ja, bei der Disposition. Aber sie gehörte nicht zur
Inszenierung, war nur Daves aktueller Anhang. Sie hatte hier nichts zu suchen,
genau wie der Junge.
    Dave lächelte, und Rost wusste, dass das nichts Gutes verhieß, wenn
er auf diese Weise lächelte. Irgendwas läuft hier falsch, verdammt, wenn, dann
müsste ich jetzt lächeln, aber nicht der da, der da
hat zu tanzen.
    Â»Dave. Was für ein netter Zufall!«
    Daves Lächeln verschwand.
    Â»Wieso Zufall, wir waren doch verabredet.«
    Stimmte das?
    Â»Nach der Dispo, ich hab dich drum gebeten. Das Lokal hast du doch
selbst vorgeschlagen.«
    Rost erinnerte sich dunkel. Dave hatte ihn sprechen wollen. Das
stimmte.
    Â»Natürlich.«
    Â»Joe. Darf ich dir Rose Berlin vorstellen. Rose, das ist Josef
Rost.«
    Rost schob sich wieder in seine Sitzbank hinein.
    Â»Tänzerin?«
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Rose hatte einen betörenden französischen Akzent. Ihr Gesicht war
klein, breite Wangenpartie, winziger Mund, veilchenblaue Augen. Eine Schönheit.
    Â»Na, ich erkenne doch ein Tanzbein, wenn ich eins sehe!« Rost
schüttelte ihr die Hand. »Was wollt ihr zwei trinken?«
    Â»Danke, wir werden gar nicht so lange bleiben. Joe, lass mich gleich
zur Sache kommen. Es geht um DeeDee.«
    Rost seufzte. Er hatte es geahnt. Mist, verfluchte Scheiße. Er hätte
es Dave

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