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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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Achselschweiß, als er in der anderen
Tasche nach seinem Handy suchte.
    Zwei Frauen betraten unter der scheppernden alten Türklingel
den Laden und brachten von draußen den Geruch nach Parfüm und Pizza mit. Gunnar
Lang wackelte von einem Bein aufs andere, wartete, bis seine gewohnte Mischung
aus Fußschweiß, Schuhcreme und Leder sich wieder durchsetzte, in der er seit
fünfzig Jahren zu Hause war. Es war ihm lieber, wenn Hanno auch da war und ein
Auge auf alles hatte, wenn Kunden kamen.
    Die Blonde öffnete ihre Handtasche und zog einen Zettel heraus.
    Â»Guten Tag. Ich möchte das hier abholen.«
    Gunnar rückte seine Brille zurecht. Janina Zöllner, zehn Paar rote
Schuhe, zwei Größen. Er blickte an den Regalen mit den fertigen Aufträgen
entlang. Ordentlich paarweise zusammengeklemmte Herrenschuhe, schwarz, braun,
ein paar Pumps dazwischen. Aber rote Schuhe. Und dann gleich so viele. Er
blickte sich hilfesuchend um.
    Â»Sind sie etwa nicht fertig?«, fragte die Dunkelhaarige. Ihr Mund
hing irgendwie schief, und er mochte nicht, wie sie ihn ansah.
    Â»Weiß nicht, sehen Sie sie irgendwo?«
    Â»Nein«, sagte die Blonde. »Aber vielleicht schauen Sie mal hinten
nach?«
    Â»Jaaa.«
    Gunnar wackelte unschlüssig mit dem Kopf. Dann müsste er die
Kundinnen vorne im Laden allein lassen. Hanno sah das nicht gern, wegen der
Kasse. Darum standen ja auch alle fertigen Schuhe vorne und nicht hinten in der
Werkstatt. Na schön. Dann aber schnell.
    Â»Einen Moment bitte.«
    Gunnar rutschte in seinen Filzpantoffeln auf dem gefliesten Boden,
so schnell er konnte, in die Werkstatt. Zum Glück fand er die Tüte sofort. Eine
große, weiße, laut knisternde.
    Als er zurückkam, standen die beiden Frauen noch genauso da wie
eben. Keine Hand in der Kasse. Gunnar begann, den Inhalt der Tüte auf den
Ladentisch zu packen. Schuh für Schuh.
    Â»Entschuldigung, sie sind ganz durcheinander. Moment.«
    Er sortierte hin und her. Aber er fand kein einziges Paar, das
zueinander passte.
    Â»Sie aber auch, oder?«, sagte die Dunkle und sah ihn mit ihrem
komischen Halbgrinsen an.
    Hexe, dachte Gunnar. Er hatte keine Ahnung, was sie meinte, lächelte
aber sicherheitshalber, während er weiterpuzzelte.
    Manche Schuhe hatten hohe Plateaus, manche waren ganz flach, bei
manchen schauten die Zehen raus, andere waren geschlossen, mit Riemchen, mit
Bändern, mit Strass. Und einige waren sogar vorne höher als hinten. Gunnar
brach der Schweiß aus. Da hat Sille Mist gebaut, eindeutig. Das würde Hanno
nicht dulden, Sille konnte sich auf was gefasst machen.
    Was gab es da von der Dunklen wohl immer zu grinsen?
    Â»Lassen Sie, die müssen so sein«, sagte die Blonde. »Das ist schon
in Ordnung so.« Sie grinste auch. »Kann ich mit Karte zahlen?«
    Gunnar hielt inne. Genau so was hatte er befürchtet. So was
passierte immer, wenn Hanno weg war. Der Kartenleser war ein unlösbares Rätsel
für ihn. Er versuchte, Zeit zu schinden, indem er die Schuhe langsam und sehr
ordentlich wieder in die Tüte schichtete.
    Als die Blonde die Karte auf den Tisch legte, starrte er sie nur an,
wackelte ein bisschen hin und her. Bitte, Hanno komm, hilf! Es ist doch schon
Nachmittag, du sollst doch nicht zu spät kommen.
    Und Hanno kam. Die Türglocke schepperte, er grüßte knapp, öffnete
die Kasse, legte einige Scheine hinein, Fünfziger und Zwanziger. Ein guter
Umsatz. An seinem Hals blutete ein aufgekratzter Pickel. Wie gut, dass Gunnars
Gebete immer so schnell wirkten.
    Â»Hanno. Kannst du bitte das mit der Karte machen?«
    Hanno sah die beiden Frauen an, sein Schnauzbart sträubte sich, als
er sprach.
    Â»Gehören Sie zu den Theaterleuten in Tempelhof?«
    Die Frauen nickten und plauderten, und dann ging das ritscheratsche,
und die Sache mit der Karte war erledigt.
    Â»Danke, tschüss«, sagte die Blonde.
    Hanno nickte, verschwand wortlos in die Werkstatt, und Gunnar sah
zu, wie die Frauen über die Bergmannstraße gingen und sich vor das Café ohne
Namen setzten. Von dort hatte man einen guten Blick auf den rechten
Friedhofseingang. Er saß jeden Abend da und wartete, bis die Luft rein war.
Dann ließ er seine Kaffeetasse stehen, die er immer sofort bezahlte, und eilte
über die Straße, durch das Tor, über den Friedhof, die nächste Straße und dann
noch einmal umgucken, und ab in die Gartensiedlung rein.

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