Die rote Halle
blöde
Gedanken. Sie war übernächtigt, keine neuen Nachrichten von Simon, und Rost
hatte die Vormittagsprobe verschlafen. Was aber nicht weiter schlimm war, so
hatten Matti und seine Jungs Zeit gehabt, die Schaukel fertig zu präparieren.
Eigentlich hatte Janina Rost aus dem Bett werfen wollen, damit er
sich um den Job kümmerte, wegen dem sie schlieÃlich alle hier waren. Aber dann
hatte sie seine eingefallenen Wangen gesehen, die schwarzblauen Schatten unter
den Augen. Er war dünn geworden. Er litt. Und wenn er sagte, dass er Simon
nichts getan hatte, wollte sie ihm glauben.
Vielleicht war das nicht logisch. Vielleicht war es auch nur ein
Fluchtversuch. Aber für sie hatte es etwas mit Unterscheidungsvermögen zu tun,
mit einem inneren Wissen, das keine Beweise brauchte. Sie hatte Rost immer
vertraut. Sie vertraute ihm immer noch. Und auÃerdem sind schlafende Menschen
ganz sie selbst, dachte Janina. Sie können nicht lügen. Rost war kein
schlechter Mensch. Er tat so etwas nicht. Zumindest hoffte sie das.
Heute war der Counter in der Lobby besetzt, DeeDee hatte den
Hausmeister gebeten zu kommen.
»Hallo«, sagte Janina zu dem Mann, dessen Namen sie nicht wusste. Er
hatte sich bei ihrer Ankunft nicht vorgestellt, und es kam ihr seltsam vor,
jetzt noch danach zu fragen.
»Kann ich das kurz hier bei Ihnen lassen?«, fragte sie und stellte
die Schale mit den Erdbeeren auf den Counter.
»Aber gleich wieder abholen«, sagte er mürrisch.
»Natürlich.«
»Und den Hackenporsche auch, der steht hier im Weg!«
DeeDee lächelte.
»Den könnten Sie mir gleich rübergeben, den brauchen wir jetzt.«
»So«, sagte der Alte und zog einen schwarz-bunt-gestreiften
Einkaufsroller aus der Ecke.
»Ich hole die andern Sachen«, sagte Janina und ging die Treppe
wieder hinauf, um den mittlerweile hoffentlich kalten Sekt und die belegten
Brötchen zu holen.
»Wat solln das überhaupt werden?«
»Ich habe Geburtstag.«
»So.«
Es erfüllte Janina für einen Moment mit Genugtuung, dass der
Hausmeister zu schlecht gelaunt war, um DeeDee zu gratulieren. Dass sie ihn
nicht so einfach um den Finger wickeln konnte wie sonst scheinbar alle Leute.
Janina eingeschlossen.
Janina schüttelte bei dem Gedanken unwillig den Kopf. Nein, sie lieÃ
sich nicht um den Finger wickeln. Das war Strategie.
Sie öffnete den Kühlschrank im ersten Stock, zog die Sektflaschen
heraus und steckte sie in mehrere Stoffbeutel. Die Flaschen waren beschlagen,
und Janina legte sich eine davon an die Stirn, fühlte die fast schmerzhafte Kälte
auf der Haut. Das tat gut, machte ein wenig wacher.
Unten packte sie den Sekt in den Einkaufsroller um und ging wieder
hinauf, um die restlichen Sachen auch noch zu holen.
Sie würden mit dem ganzen Zeug ziemlich weit laufen müssen, bis zum
Osteingang des Flughafengeländes, und dann einmal quer rüber über das alte
Rollfeld.
Als Janina das dritte Mal runterkam, hatte DeeDee eine Flasche Sekt
geköpft und stieà gerade mit dem Hausmeister an.
»Na denn, prosit«, sagte er.
DeeDee leerte den braunen Plastikbecher aus dem Kaffeeautomaten in
einem Zug.
»Und es macht Ihnen auch wirklich nichts aus?«
»Na ja, erlaubt ist das nicht.«
»Dann geht es natürlich nicht.«
Der Hausmeister winkte ab.
»Lassense ma, das machen wir schon.«
»Wirklich, das ist sehr nett.«
Der Hausmeister zwinkerte ihr hinter den dunklen Brillengläsern zu,
schloss eine Schublade auf und zog seinen Schlüsselbund hervor.
»Dann kommse ma.«
Janina musste wider Willen lächeln, als DeeDee ihr hinter seinem
Rücken einen hochgereckten Daumen zeigte. Sie hatte es wieder geschafft. Nicht
einmal griesgrämige alte Hausmeister waren vor ihr sicher.
Sie folgten dem Mann, der den mit Sekt und Erdbeeren vollbeladenen
Einkaufsroller hinter sich herzog. DeeDee hatte sich einen Stapel Bettlaken
unter den freien Arm geklemmt. Janina war sich sicher, dass sie sie dem
Hausmeister oder einer Reinigungskraft abgeschwatzt haben musste. In dem Gewebe
waren feine Flugzeugsilhouetten auszumachen. Janina selbst trug, was noch übrig
war.
Der Hausmeister brachte sie zur Eingangshalle, schloss eine Tür auf,
die seitlich der Schalterhalle in den langen, geschwungenen Transitgang führte,
der sich von einem Ende des Flughafens zum andern zog.
»Aber das ist eine einmalige
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