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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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gehen.
Bricht durch die Leitplanke.
    Es geht abwärts, sie sieht die unterführende Straße näherkommen, sie
weiß, was passieren wird, und sie tritt noch immer aufs Gaspedal, hält das
Steuer in der Hand, als könnte sie da unten einfach weiterfahren wie in einem
Actionfilm.
    Dann bohrt sich etwas durch DeeDees Hüfte und Rücken, sie fühlt ihre
Beine brechen. Metall zerschneidet ihr Gesicht.
    DeeDee wartete noch ein wenig, bis der erste, leichtere
Schnitt ganz zu bluten aufgehört hatte. Dann drückte sie die Ränder des
tieferen Schnitts zusammen und klammerte die Wunde mit zwei schmalen Pflastern.
Anschließend verband sie den Oberschenkel noch mit einer Mullbinde und zog
ihren langen grünen Rock darüber.
    Als sie zwanzig Minuten später in die mittlerweile stockdunkle
Ehrenhalle kam, war niemand mehr da. Nur ihre Kamera stand noch dort, die grüne
Diode leuchtete ihr freundlich entgegen. Sie nahm immer noch auf. Genau wie sie
gehofft hatte.
    DeeDee setzte sich direkt auf die Bühne und sah sich im Dunklen das
Material auf dem Display an. Was sie hörte, war phantastisch. Sie hatte ein
Päderastengeständnis aufgenommen.
    Jetzt hatte sie alle in der Hand. Und sie musste gar nicht viel tun.
Jeder würde selbst eins und eins zusammenzählen können, wenn sie die
Informationen geschickt verteilte. So würde sie nicht nur Janina weiter
hinhalten können und Dave und ihre verdiente Premiere bekommen, sie würde sogar
dafür sorgen können, dass niemals auch nur der Schatten eines Verdachts auf sie
fiel.
    Endlich war DeeDee sich wieder sicher, dass das Schicksal am Ende
doch auf ihrer Seite stand.
    Als Assistentin musste Janina alle Nummern parat haben,
musste jeden jederzeit erreichen können, wenn Rost ihn oder sie brauchte. Aber
sie hatte die Nummer nicht. Sie hatte die Nummer nicht, weil sie einfach zu
feige gewesen war, Ulli darauf aufmerksam zu machen, dass Dave auf der
allgemeinen Telefonliste fehlte. Weil sie nicht den Eindruck erwecken wollte,
an seiner Nummer interessiert zu sein.
    Wahrscheinlich hatte Dave selbst dafür gesorgt, dass sich nicht
jeder einfach so seine Nummer holen konnte. Aber sie war die Assistentin. Sie
hätte sie haben müssen.
    Das KBB im ersten Stock des Bettenhauses war nicht besetzt. Ulli
vergnügte sich wahrscheinlich mit den Bühnenjungs irgendwo auf dem Gelände.
Janina wurde klar, dass Rosts leidenschaftliche Ansprache kaum zwei Wochen zuvor
nicht angekommen war. Jeder hier hatte längst verstanden, dass es vorbei war.
Niemand hörte mehr auf ihn. Dave kam nicht zur Probe, das KBB war nicht
besetzt, und sie selbst war ebenfalls kurz davor, nicht mehr zur Verfügung zu
stehen.
    In der Cafeteria war Dave nicht, in seinem Zimmer nicht und auch
nicht in der Werkstatt oder Kostümabteilung, in keinem der Aufenthaltsräume und
keiner der Küchen. Das Eldorado war geschlossen. Es
hing ein Urlaubsschild an der Tür. Janina legte die Hände wie einen Trichter an
die Scheibe und blickte in den dunklen Innenraum. Gab es hier Kinderschänder?
Zuhälter? Böse Menschen? Sie konnte nichts entdecken, keine benutzten Kondome
auf dem Boden, keine Spritzen. Natürlich nicht. Das hier war eine Bar, eine
ganz normale Bar. Und selbst wenn es keine ganz normale Bar war, würde man das
nicht auf den ersten Blick erkennen. Gut, noch einmal die Runde, noch einmal
zurück in die rote Halle, vielleicht übte er dort.
    Während Janina durch die Eingangshalle marschierte, die direkt unter
der Bühne lag, nahm sie wieder diesen schalen Geruch wahr, der ihr auf dem Weg
zu DeeDees Picknick schon aufgefallen war. Dumpf, süßlich, beklemmend. Er kam
ihr vertraut vor, ohne dass sie ihn einordnen konnte. Der Geruch haftete im
Rachen, schien sich von hinten in die Nase hochzuarbeiten und erzeugte ein
flaues Ekelgefühl.
    Auf der Bühne war Dave auch nicht.
    Endlich, um elf Uhr abends, rief Ulli zurück.
    Â»Ich brauche Daves Nummer«, sagte Janina knapp.
    Â»Was denn, so spät noch? Ich will mich gerade hinlegen.«
    Â»Hast du die denn nicht auf dem Handy?«
    Â»Warte mal.«
    Janina hörte Ulli an ihrem Handy rumfummeln, bevor sie wieder mit
ihr sprach.
    Â»Nein. Komisch.«
    Â»Weil sie in der Liste fehlt. Niemand hat sie.«
    Â»Na, so ein Mist.«
    Â»Ich brauche sie aber.«
    Â»Dann muss ich mich extra noch mal anziehen und ins KBB
runtergehen.«
    Â»Ist ja nicht

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