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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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und
mit der Zeit verblasste auch Daves Nachbild.
    Stattdessen sah sie viel Schwarz und bunte Farben, beobachtete, wie
sie sich ausdehnten und zusammenzogen, wie sie zerspritzten und sich zu neuen
Flecken sammelten. Das Grün und das Violett verschwanden und machten dem Rot
Platz. Alles wurde rot, selbst das Schwarz, und in dem Rot erschien ein neues
Gesicht.
    Josef Rost mit vorquellenden Augen, und dann ein drittes Gesicht.
Simon, und auch seine Augen traten hervor, und Rost saß auf ihm, seine Hände
waren um Simons Hals, während er hektische Fickbewegungen machte, und Simon
wand sich, wand sich im Todeskampf … und dann noch mal anders, diesmal lag er
in der Badewanne, die alte Emailwanne in Rosts Villa, beinahe hörte sie, wie das
Wasser einrauschte, aber vielleicht war das auch nur dieses wattige Gefühl auf
den Ohren, das sie begleitete, seit deutlich war, dass niemand wusste, wo Simon
war. Außer Rost vielleicht. Außer DeeDee vielleicht. Aber vielleicht auch
nicht. Und wo war überhaupt DeeDee? Der Kommissar hatte gesagt, sie sollte sie
im Auge behalten. Sie hatte sie nicht im Auge behalten. Verdammt!
    Janina riss die Augen auf, die Hände in die Oberschenkel gekrallt.
Mit einer schnellen Bewegung stand sie auf. Dave wälzte sich auf die andere
Seite, drehte ihr den Rücken zu. Sie wünschte, er wäre wach, einfach da. Sie
wünschte, sie hätte körperliche Schmerzen, um die seelischen nicht so spüren zu
müssen. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte, aber sie konnte nicht anders.
Sie zog das Handy aus der Tasche und tippte:
    Die Polizei sucht Dich. Bitte melde Dich. Ich
sterbe vor Sorge. In Liebe, Deine Mam.
    Vielleicht war sein Handy leer, vielleicht hatte er sein Netzteil
nicht dabei. Vielleicht hatte er sein Handy verloren. Vielleicht konnte er sein
Handy nicht erreichen. Vielleicht hatte man es ihm weggenommen. Warum war er
nicht bei Rost in der Villa gewesen? War er weggelaufen? Wohin? Hatte Rost ihn
in seinem Wahn etwas angetan? Konnte er das getan haben? Sie hatte gesehen, wie
es um ihn stand, wozu er in der Lage war. Was, wenn Simon ihn provoziert hatte?
Wenn er ihm Vorwürfe gemacht hatte?
    Janina stand im Zimmer, die Muskeln in ihren Oberschenkeln zitterten
unkontrolliert, wie damals, als sie Simon zur Welt gebracht hatte, sie konnte
sich kaum auf den Beinen halten.
    Â»Dave?«
    Janinas Stimme klang dünn. Dave wälzte sich erneut unruhig auf die
andere Seite, murmelte etwas im Schlaf.
    Â»Bist du wach?«
    Keine Antwort.
    Vielleicht war Simon gar nicht fort. Vielleicht war er noch hier. Im
Flughafen. Vielleicht war er irgendwo tief unten, ohne Handyempfang. Ein neues
Szenario drängte sich vor Janinas inneres Auge: Simon in einer leeren Halle
irgendwo in den Weiten und Tiefen des Flughafens, um sich herum nur Stein und
Beton, und kein Wasser, er ist durstig, dünn und ausgetrocknet. Es gibt keinen
Weg heraus, und niemand hört ihn rufen, und … nein! Sie würde es nicht zu Ende
denken. Sie würde jetzt systematisch alles absuchen, mit Plan, mit allem.
Janina zog die Zimmertür leise hinter sich zu.
    Zuerst tat sie, was sie schon etliche Male getan hatte:
Sie sah in Simons Zimmer nach. Vielleicht hatte sie irgendetwas übersehen. Sein
Rucksack war nach wie vor fort. Nach wie vor war sein Zimmer leer, sein Bett
verwühlt, stand eine leere Flasche Haartönung »blauschwarz« auf dem
Waschbeckenrand, lagen die verschmierten Färbehandschuhe auf dem
Toilettendeckel. Es hatte sich nichts verändert. Es würde sich erst morgen früh
ändern, wenn der Kommissar mit seinen Leuten kam, um sich hier umzusehen. Es
war besser, wenn sie nichts anfasste. Wahrscheinlich hatte sie mögliche Spuren
in den letzten Tagen ohnehin schon verwischt oder zerstört. Möglicherweise war
es ihre Schuld, wenn die Polizei morgen nichts fand. Es hatte keinen Sinn,
darüber zu spekulieren. Janina verließ das Zimmer. Sie hatte noch viel Arbeit
vor sich heute Nacht.
    In der Lobby brach sie mit einem Brieföffner, der auf der
Schreibunterlage lag, die Schubladen des Counters auf und fand die Schlüssel.
Den Brieföffner nahm sie ebenfalls mit. Sie würde im Zentrum beginnen und sich
dann nach außen vorarbeiten.
    Die Tür zur Schalterhalle hatte eine grüne Markierung, zu
der einer der grünen Schlüssel passen musste. Während sie einen nach dem andern
probierte, stieg Janina wieder der dumpfe Geruch in die

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