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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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benutzen, statt mich durch den Dschungel dort zu schlagen.«
    »Wissen Sie auch, wohin dieser Weg führt?«
    »Der Vorarbeiter hat mir alles gezeigt. Auf der linken Seite ist ein Hubschrauberlandeplatz.« Russ sah sie an. »Ja, ich weiß; ich fand das ja selbst ziemlich cool. Auf der anderen Seite geht es zum Steinbruch. Nach der großen Felsspalte, die sich den Berg hinaufzieht, kommt eine Abzweigung zu den weniger ansehnlichen Gebäuden: Kraftwerk, Wäscherei, Garagen – wird alles noch gebaut.«
    »Wie weit ist das von hier?«
    »Ich weiß nicht. Wir waren nicht dort.«
    »Na gut. Sekunde bitte.« Russ kehrte zu seinem Pick-up zurück, klappte den Fahrersitz nach vorne und holte etwas aus dem hinteren Teil der Kabine: einen Revolvergürtel, polizeiliche Standardausführung. Er schnallte ihn um und zog kurz die Waffe, um den Munitionsstreifen zu überprüfen. Mit seinen Jeans und seinem Polohemd wirkte er wie ein Tourist, der in einer Westernstadt Cowboy spielt, aber die massive Erscheinung von Gürtel und Revolvertasche schloss jeden Irrtum aus.
    »Ist das wirklich nötig?«, fragte Clare.
    »Ich will’s nicht hoffen«, antwortete er. »Aber Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.« Er stand da und zögerte. »Ich schätze, ich kann Sie nicht überreden, wieder in Ihren Wagen zu steigen und heimzufahren?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Oder hier auf mich zu warten?«
    Sie lachte.
    »Ja, hab ich mir schon gedacht.« Er marschierte auf die nächste Erdrampe zu, und Clare schloss sich ihm an. »Bleiben Sie dicht neben mir. Wenn wir irgendetwas Seltsames bemerken, gehen Sie hinter mich und überlassen mir die Sache. Kapiert?«
    »Zu Befehl.«
    »Und tun Sie nicht wie meine Untergebene. Sie waren von uns beiden der Captain, ich war nur ein MP. Und selbst dazu musste ich mich von einem kleinen Befehlsempfänger hocharbeiten.«
    »Jetzt sind wir Zivilisten, und wer hat da wohl den höheren Rang: der Polizeichef oder die Pastorin?«
    »Der Polizeichef. Ich verfüge über die längere Berufserfahrung und bin für mehr Leute verantwortlich.«
    »Hinzu kommt, dass Sie älter sind als ich. Viel älter.«
    Er warf ihr einen stechenden Blick zu, während sie den Waldweg betraten.
    Anders als bei Clares letztem Besuch wehte heute kein kühles Lüftchen unter den Bäumen. Das Laub hing schlaff in der feuchten Hitze, und überall herrschte ein leichter Modergeruch. »Da entlang.« Sie deutete in Richtung des Steinbruchs.
    Wortlos stapften sie durch das dichte Grün. Clare fühlte die Bluse an ihrem Rücken kleben. Sie verscheuchte eine Mücke, die auf ihrem Schenkel zu landen versuchte, während Russ sich mit der flachen Hand auf den Unterarm schlug und einen winzigen Leichnam wegschnippte. Sie passierten einen Baum, um den sich wildes Weinlaub rankte. Die sternförmigen weißen Blüten, mit denen es gesprenkelt war, verströmten einen widerlich süßen Geruch. »Sieht hübsch aus«, meinte Clare. Russ brummte. »Wissen Sie überhaupt, was das da ist?« Er schüttelte den Kopf. »Ray Yardhaas war ein viel unterhaltsamerer Begleiter«, sagte sie.
    »Seien Sie still. Wenn jemand mit Peggy Landry in diesem Wald ist, dann möchte ich ihn nicht vorwarnen«, erwiderte er.
    »Oh. ’tschuldigung.«
    Er winkte ungehalten ab. Sie gelangten zu der Weggabelung, an die Clare sich noch von letztem Montag erinnerte. »Steinbruch«, sagte sie und zeigte nach rechts.
    Russ deutete mit einer Kopfbewegung, diese Richtung zu nehmen. Nach ein paar Metern öffnete sich das Laubgewölbe auf den verhangenen, wolkenlosen Himmel. Russ winkte Clare hinter sich und trat langsam auf den Rand des Steinbruchs zu. Als er bis auf wenige Meter heran war, schnallte er seinen Gürtel ab und bewegte sich kriechend vorwärts. Clare folgte seinem Beispiel. Grasgestrüpp und Geröll zerkratzten ihre nackte Haut.
    »Irgendetwas Besonderes?«, fragte sie, während sie an den Rand robbte.
    Russ stemmte sich mühsam wieder hoch. »Nein.« Clare stand ebenfalls auf und wischte sich erleichtert die Steinchen von den Schenkeln, die sich dort hineingebohrt hatten. Sie überschauten die glatten Tonschieferbrocken, die den oberen Rand des Steilhangs säumten. »Was ist das da drüben?« Russ deutete auf die Spalte, die sich in der Rückwand des Steinbruchs öffnete. Nachdem es mehrere Tage nicht geregnet hatte, war aus dem Wasserfall ein schwaches Rinnsal geworden, das den Fels herabrieselte. »Gehört das auch noch zur Anlage?«
    »Nein, das ist eine natürliche Schlucht, oben

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