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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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dicker.« Sie griff über ihren Kopf nach hinten. »Sehen Sie sich das an.« Sie hielt einen kleinen schwarzen Plastikzylinder hoch. Er nahm ihn aus ihrer Hand. »Das ist der Drehknopf. Einfach abgegangen. Schauen Sie ihn sich mal an.«
    Im Innern des Zylinders befand sich ein Röhrchen, das ihn auf dem Metallstift des Gerätes festklemmte. Aber das Röhrchen war gesplittert, so als hätte jemand beispielsweise mit einem Schraubenzieher hineingestoßen.
    Russ versuchte, das Übelkeitsgefühl in seinem Magen zu ignorieren. »Und was bedeutet das? Sind wir in Schwierigkeiten? Gehen wir wieder runter?«
    »Das bedeutet, dass ich mich nicht von den örtlichen Flugleitstellen führen lassen kann. Ich werde nach Sicht fliegen müssen. Allerdings ist die heute lausig, wegen der Luftfeuchtigkeit. Ich ziehe die Mühle jetzt ein bisschen höher, um mich zu orientieren.«
    Clare klang gelassen, kompetent, ihrer Sache sicher. Aber das beruhigte Russ kein bisschen. Piloten klangen immer dann am gelassensten, wenn sie am tiefsten in der Scheiße steckten. Das Triebwerk winselte mit einem schrillen Unterton, der ihm in den Backenzähnen wehtat.
    »Was ist los? Ist das normal, dass die Maschine sich so anhört?«
    »Sie muss sich nur ein bisschen anstrengen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit hat der Rotor nicht so viel Auftrieb wie bei kühlen, trockenen Bedingungen.«
    »Wie hoch gehen wir?«
    »Viertausend Fuß.«
    »Viertausend Fuß! Ich dachte, Hubschrauber fliegen nur fünfhundert bis tausend Fuß hoch.«
    Sie lachte. »Vom Boden aus gesehen, sind es ja auch nur zirka zweitausend Fuß. Unser Startpunkt war doch schon zweitausend Fuß über Normalnull. So, jetzt helfen Sie mir mal bitte. Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus. Ich sehe zwei ziemlich große Flüsse, mehrere kleine Nebenflüsse und einen mittelgroßen See. Keine Ahnung, was das ist.«
    Russ stemmte erneut seine Hände auf den metallenen Fensterrahmen und sah hinaus. Dabei versuchte er, sich einzureden, er sitze sicher verstaut in einem hübschen kleinen Flugzeug, aber das angestrengte Pulsieren des Rotors machte das unmöglich. »In welche Richtung fliegen wir?«
    »Norden.«
    »Okay.« Er holte tief Luft. »Dann muss der See da der Lake Luzerne sein. Der Fluss im Westen ist der Sacandaga. Er strömt westwärts, zum Great Sacandaga Lake. Der Fluss im Osten ist demnach der Hudson.«
    »Sind Sie sicher? Sieht mir ein bisschen klein aus.«
    »So weit im Norden ist er auch klein. Erst hinter West Point wird er breiter.«
    »Und Albany liegt am Hudson?«
    Russ lehnte sich in seinen Sitz zurück und schloss die Augen. »Als ich das letzte Mal da war, schon.«
    »Okay. Ich habe meine Position auf dem Kompass. Ich werde jetzt wieder auf fünfhundert Fuß runtergehen und dann nach Osten fliegen.«
    Russ steckte sich den funktionsuntüchtigen Drehknopf in die Tasche und versuchte, beim Absinken das flaue Gefühl in seinem Magen zu ignorieren.
    Clare schwieg weiterhin. Er wünschte, sie würde wieder zu singen anfangen. Er sah auf Waxman, dessen Gesicht mit dem modischen Kinnbart feucht und blass schien, und dachte, wie jung der Bursche doch war. Aber die Männer, die er auf dem Boden von Hubschraubern hatte sterben sehen, waren noch jünger gewesen. Beinahe Kinder. In Vietnam hätte Waxman wie ein alter Mann gewirkt.
    Plötzlich ruckte die Maschine heftig, und das Triebwerk gab einen seltsamen Laut von sich, wie ein flaches, kurzatmiges Husten. Russ, der auf seinem Sitz angeschnallt war, griff nach unten, damit der bewusstlose Geologe nicht rutschen würde. Der Rucksack rollte über den Boden. Clare redete halblaut mit sich selbst, irgendetwas über die Luftströmung.
    Der Rucksack, der mehrere Schritte entfernt gelegen hatte. Waxman und Peggy hatten vor seinem Absturz miteinander gekämpft. Wie war sein Rucksack dort hinuntergekommen? Russ löste seinen Sicherheitsgurt und trat auf das Ding zu, das an dem orangefarbenen Fangnetz des Frachtraums lehnte.
    In diesem Moment hörte er ein Geräusch – ein Stottern, Spucken, Husten und Gurgeln, als ob irgendein großes Tier verenden würde.
    »Was ist das?«, fragte er. »Clare?«
    »Treibstoff«, antwortete sie mit gepresster Stimme. »Gehen Sie wieder auf Ihren Platz und schnallen Sie sich an.«
    Er fühlte regelrecht, wie es hinter seinen zusammengebissenen Zähnen heulte: Was soll das heißen? Haben Sie denn nicht den Tank kontrolliert? Aber er schluckte die Frage hinunter. Natürlich hatte Clare den Tank kontrolliert. Sie

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