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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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mich.‹ Und der Lärm von dem Hubschrauberunglück, der abebbt, und das ausbrennende Feuer. Und in diesem Moment wird mir klar … wird mir klar, dass der Feind uns umzingelt hat und dass er uns finden wird, sobald er Macs Gewimmer hört. Also nehme ich … ich nehme die Waffe von diesem Lieutenant und … und erfülle Macs Wunsch.«
    Clare ergriff seine Hand und drückte sie.
    »Etwa eine halbe Stunde später waren sie da. Sie haben mich nicht entdeckt, und weil sonst niemand am Leben war, sind sie nach einer Weile wieder verschwunden. Ich habe versucht, mich ein Stück weit auf dem Bauch zu ziehen, aber wohin konnte ich schon mit zwei gebrochenen Beinen? Also gab ich auf und bin im Dickicht unter diesem Baum liegen geblieben, bis eine Marines-Einheit gekommen ist und meinen Arsch dort rausgeholt hat.«
    Clare legte ihre andere Hand auf die seine. »Wie lange mussten sie warten?«
    »Zwei Tage.«
    »Unter dem Baum.«
    »Ja.« Zum ersten Mal sah er sie direkt an. »Es gibt nur drei Menschen, die diese Geschichte je gehört haben. Sie sind die Dritte.«
    Clare rieb seine Hände zwischen ihren.
    »Ich habe das nicht erzählt, damit Sie mich bedauern.«
    »Ich bedauere Sie auch nicht. Es –« Sie schloss ganz langsam ihre Augen und öffnete sie dann wieder. »Es tut mir weh, dass Sie all das durchmachen mussten. Dass Sie noch ein halber Junge waren. Dass Sie diese Erlebnisse mit sich herumschleppen müssen.«
    Sie schwiegen beide einen Moment. Er fühlte sich irgendwie erleichtert – so als hätte er Gewichtstraining gemacht und wäre dann unter die Dusche gegangen, um sich abzukühlen. Restlos ausgepumpt, aber gleichzeitig erfrischt.
    »Danke«, sagte Clare.
    »Wofür?«
    »Dass Sie hier sind. Dass Sie einfach zugepackt und Ihren Teil getan haben. Dass Sie Ihrem Land die Treue hielten, selbst als dieses Land etwas von Ihnen verlangte, was furchtbar, konfus und vergeblich war. Danke, Russ.«
    Er fing an zu lachen. »Ganz meinerseits, Clare. Ganz und gar meinerseits.«
    Er ließ ihre Hand los und stand auf. Ihm zitterten die Knie, und er hatte Seitenstechen. Clare erhob sich ebenfalls. Sie hielt seine Brille in der Hand. Er hatte nicht mal gemerkt, dass sie runtergefallen war.
    Er setzte sie wieder auf und warf einen Blick dorthin, wo sie gerade heruntergekommen waren. Kein Feuer weit und breit. Er erinnerte sich an den Wochenbericht der Freiwilligen Feuerwehr: Die Brandgefahr sei gering bis mäßig. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie in Sicherheit waren. Er sah den Bach hinab. Gott. Er hatte das Gefühl, er müsse zusammenbrechen, wenn er jetzt nur einen Schritt weiterginge.
    Clare berührte ihn mit einer immer noch feuchten Hand am Arm. »Haben Sie … Soll ich vielleicht …« Sie presste die Lippen zusammen und schloss eine Sekunde die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, sagte sie: »Was haben Sie für ein Bedürfnis, und wie kann ich Ihnen helfen?«
    Er spürte ein geradezu schmerzliches Verlangen, ein so konkretes Zärtlichkeitsgefühl, dass es ihm vorkam, als müsse er auf seinem Brustbein einen Bluterguss sehen, wenn er unter sein durchgeweichtes Hemd schaute. Er wusste, wenn er wollte, dann könnte er sich jetzt in den Farn legen und sich noch mehr Wasser von ihr bringen lassen, könnte sie vorauschicken, um Hilfe zu suchen, und sie würde es tun, könnte ihr sagen, dass er nicht imstande wäre zu gehen, und sie würde Waxman allein aus diesem Wald schleppen. Sie brauchte ihn nicht als Anführer, als Entscheidungsträger, als Vorkämpfer. Und eben weil sie ihn nicht brauchte, fand er schließlich die Kraft, den nächsten Schritt zu tun.
    »Folgen wir dem Bach.«
    »Sind Sie sicher?«
    Er nickte. »Selbst wenn es uns nirgendwo hinführt, ist das jedenfalls leichter, als über die Berge dort zu klettern.«
    Sie musterte ihn, als würde sie seine Worte gegen seine Kräfte abwägen. Dann lächelte sie. »Also los.«
    Wieder schulterte er den Rucksack und trug Waxman am Kopfende, während sie das Fußende nahm. Unterwegs hielt er nach einem Stück Holz Ausschau, das sie durch das Netz schlingen könnten, um ihn an einer Art Stange zu tragen, aber leider lagen solche starken, zweieinhalb Meter langen Äste nicht griffbereit herum. Stattdessen gab es dichtes Farngebüsch, Wurzeln und gelegentlich einen Felsen, dem sie ausweichen mussten. Die Aluminiumstangen, die Russ ständig in die Waden stießen – allerdings nicht regelmäßig, um es vorherzusehen –, verlangsamten sein Tempo, und die Hitze raubte ihm

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