Die Rote Spur Des Zorns
Luft zu schnappen und ein bisschen Menschen zu jagen, hier raufkommt?«
Er seufzte. »Möglich wär’s. Die Tatzeitpunkte legen es jedenfalls nahe.« Er strich sich die Haare nach hinten, aber sie fielen ihm erneut in die Stirn. »Wenn ja, dann müsste das die Suche nach diesem roten Fahrzeug erleichtern. Ein Tourist kann sein Auto nicht einfach in die Garage stellen und ein anderes fahren.«
»Russ, ich verstehe ja Ihre Bedenken, einzelne Personen und Geschäfte als mögliche Zielscheibe von Rowdys abzustempeln. Und ich verstehe, dass Sie Millers Kill ungern mit so infamen, abscheulichen Anschlägen in Verbindung bringen wollen. Aber wenn Sie Ihre Ansicht, man habe es auf Homosexuelle abgesehen, verschweigen, dann hindern Sie den Einzelnen daran, sich zu schützen.«
»Ich verhindere, dass man den Einzelnen gezielt herausgreift. Millers Kill ist keine Großstadt, Clare. Wie viele, glauben Sie, leben hier offen homosexuell? Jeder Kerl, der eine hohe Stimme hat, und jede Frau, die kein Make-up und einen Kurzhaarschnitt trägt, würden plötzlich zur Zielscheibe von Spekulationen und Unterstellungen werden, oder noch schlimmer: zur Zielscheibe für jeden Schwulenhasser, der Zeitung liest und denkt: ›Hey, gute Idee! Den Bastard schnapp ich mir!‹« Er lehnte sich an die Wand. »Lassen wir diese Menschen doch friedlich weiterleben. Dann sind sie in Sicherheit.«
»Das ist doch gequirlte –«
Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und betrachtete sie mit hochgezogenen Brauen. »Was?«
»Sie wissen schon. Genau diese Einstellung ist doch der beste Nährboden für Schwulenhass. ›Die sind anders als wir. Wir kennen solche Leute nicht.‹ Vogel-Strauß-Politik.« Sie stieß sich von der Wand ab und schlang ihr Haar am Hinterkopf zu einem Knoten. »Die gleiche Kacke wie in der Armee. Zwinge Leute, zu verheimlichen, was sie sind, und dann tu überrascht, wenn du eine Kultur geschaffen hast, wo es in Ordnung ist, Schwulenwitze zu reißen und Leute, die sich ›komisch‹ verhalten, zu drangsalieren. Wie wollen Sie den Durchschnittsbürger überzeugen, dass Homosexualität kein Weltuntergang ist, wenn es noch schlimmer ist, als schwul entlarvt zu werden?«
»Clare, ich versuche hier zwei Gewalttaten aufzuklären. Aber Dummheit und Vorurteile ausrotten, das geht über meine Kräfte. Genau wie eine Reformierung der Army. Tut mir leid.«
Sie atmete tief durch. »Das verlangt ja auch niemand. Manchmal werde ich eben ein bisschen … allgemein, wenn ein Problem mir unter die Haut geht.« Sie blickte zu ihm auf. »Ich finde immer noch, Sie machen einen Fehler.«
»Ich respektiere Ihre persönliche Meinung. Aber die Rangordnung hier ist ziemlich klar. Ich bin der Bulle, Sie sind die Geistliche, und was ich sage, das gilt. Punkt. Ich will, dass Sie mir versprechen, nicht zum Press-Star zu rennen oder nächsten Sonntag von einem möglichen Zusammenhang zwischen Emil und MacPherson zu predigen.«
Sie runzelte die Stirn und verschränkte die Arme.
»Versprechen Sie’s mir –«
»Gut. Versprochen. Aber ich schwöre Ihnen: Noch so ein Vorfall, und ich organisiere auf der Stelle eine Antigewalt-Demo, direkt vor der Tür des Polizeireviers.«
»Keine Sorge. Falls so etwas noch mal passiert, dann stürzt sich die Presse darauf wie die Aasgeier, und jeder wird seinen Senf dazugeben.« Er stieß sich von der Wand ab und ging lässig in Richtung der Fahrstuhltür am Ende der OP-Abteilung, Clare schloss rasch zu ihm auf. »Nur dass nichts dergleichen mehr passieren wird, wenn ich es irgendwie verhindern kann«, fügte er hinzu. »Sämtliche Voll-und Teilzeitkräfte der Polizei sind dieses Wochenende im Einsatz.«
»Weshalb? Wegen dieser Überfälle, oder ist es wegen dem Feiertag?«
»An diesem Wochenende tut jeder wenigstens zeitweise Dienst. Das ist so üblich. Der morgige Volkswettlauf wird jede Menge Ordnungspersonal erfordern. Dazu kommen Partys und Grillfeste … Noch bevor das Feuerwerk losgeht, haben wir ein Dutzend gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Eheleuten, drei Autounfälle, mindestens einen Jugendlichen, der sich bei einem Knallkörper unglaublich blöd angestellt hat, und einen Betrunkenen, der in den Kill gefallen ist. Das garantiere ich Ihnen.« Er blieb vor den Aufzügen stehen. »Kommen Sie mit oder bleiben Sie?«
»Ich bleibe noch bei der Familie, bis Todd aus dem OP kommt.«
Russ drückte den Abwärtsknopf. »Jeder meiner Männer wird über den Fall in Kenntnis gesetzt und nach allem,
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