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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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übergangslos. » Meine Zeit ist gekommen, zurück zu den Ahnen zu gehen. Ich habe alle meine Verwandten gebeten, ein letztes Mal mit mir zu tanzen. Und ich möchte auch euch dazu einladen.«
    » Aber du bist doch wieder gesund?«
    Mit einer Handbewegung wischte er Dorotheas Einwand beiseite. » Das hat nichts zu sagen. Ich habe geträumt, dass meine Ahnen sich schon auf meine Ankunft vorbereiten. Ich werde sie nicht mehr lange warten lassen.«
    Ihr fehlten die Worte. Sie wusste, dass die Eingeborenen Träume enorm wichtig nahmen. Aber dass King George nur wegen eines Traums den eigenen Tod als gegeben hinnahm, war einfach zu befremdlich.
    » Geschieht immer das, was ihr träumt?« Robert stand in der offenen Küchentür und betrachtete den alten Aborigine interessiert. In seinem Alter unterschied man noch nicht zwischen Realität und Fantasie. » Ich habe neulich geträumt, ich könnte fliegen wie ein Adler und würde über den Fluss fliegen. Aber dann bin ich aufgewacht und lag in meinem Bett. Wie immer.« Er klang enttäuscht.
    » So einfach ist es nicht mit den Träumen«, sagte King George und musterte seinerseits den Jungen nachdenklich. » Wenn du von einem Adler geträumt hast, kann es alles Mögliche bedeuten. Erzähl es mir genau.«
    Konzentriert lauschte er, während Robert seinen Traum rekapitulierte. Es wimmelte darin von abenteuerlichen Erlebnissen mit allen möglichen Tieren, die er als Adler erlebt haben wollte. Der Junge verfügte über mehr Fantasie, als gut für ihn war, befand Dorothea im Stillen. Mrs. Perkins’ leicht verkniffenem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, dachte sie das Gleiche. Schließlich verstummte Robert und sah gespannt in das runzlige Gesicht.
    » Das ist ein sehr interessanter Traum.« King George kratzte sich ungeniert in den Tiefen des schlohweißen Kraushaars, zog eine Laus hervor und steckte sie sich, ohne auf die entsetzten Blicke der Übrigen zu achten, in den Mund. » Wenn du ein Ngarrindjeri wärst, würde ich sagen, du bist vom Adler auserwählt und du wirst ein großer Mann werden. Bei euch Engländern bin ich mir nicht ganz sicher.« Er grinste und versetzte Robert einen leichten Nasenstüber. » Auf jeden Fall war es ein guter Traum.«
    Er ging gleich darauf, nachdem Dorothea ihm versichert hatte, dass sie selbstverständlich gerne alle zu dem großen palti kämen, und nicht vergaß, ihm eine Extraportion Tabak zuzustecken.

2

    Noch ehe Dorothea Ian über den sonderbaren palti informieren konnte, passierte etwas, das Lady Chatwick später nur euphemistisch als » jenen Vorfall« bezeichnete: Die alte Dame stattete gerade dem Kinderzimmer einen ihrer sporadischen Nachmittagsbesuche ab, um sich davon zu überzeugen, dass es den Kleinen an nichts fehlte. Trixie schätzte diese Visitationen, die sie als Einmischung in ihr ureigenstes Revier betrachtete, ganz und gar nicht, und so war auch Dorothea beim ersten lauten Wortwechsel herbeigeeilt, um das Schlimmste zu verhüten. Das hätte gerade noch gefehlt, dass Trixie aus Ärger über Lady Arabellas unangebrachte Ermahnungen kündigte!
    » Es ist allgemein bekannt und wissenschaftlich bewiesen, dass Wolle direkt auf der Haut getragen werden soll«, dozierte die alte Dame und nickte dabei zur Bestätigung so heftig, dass die schwarzen Satinbänder ihrer Haube nur so flogen. » Du tätest gut daran, Mary und Charles die Merinoleibchen anzuziehen, die ich extra für sie bestellt habe.«
    » Sie mögen die kratzigen Dinger aber nicht leiden«, gab Trixie genauso entschieden zurück, die zu Fäusten geballten Hände in die Hüften gestemmt. » Und Ma’am hat gesagt, ich soll sie nicht dazu zwingen. Sie heulen dann ja nur ständig.«
    » Man darf Kindern nicht immer in allem nachgeben. Das ist nicht gut für den Charakter.«
    » Aber der Charakter muss ja nicht gerade mit Wollleibchen gestärkt werden«, warf Dorothea ein, die noch etwas atemlos von ihrem Spurt aus der Wäschekammer war. » Ich trage auch lieber die mit Daunen gefütterten Unterröcke als die mit Rosshaar.«
    Lady Arabella schien von diesem Argument nicht ganz überzeugt. Kein Wunder, lehnte sie es doch, seit Dorothea sie kannte, entschieden ab, sich der augenblicklichen Mode zu unterwerfen. Lady Arabella Chatwick trug ausschließlich Kleider mit hoher Taille, wie sie Anfang des Jahrhunderts üblich gewesen waren. Ob aus nostalgischen Gefühlen oder weil ihr enge Mieder und mindestens acht Unterröcke einfach zu unbequem waren, blieb ihr Geheimnis. Jedenfalls

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