Die roten Blüten der Sehnsucht
im Haus– außer vielleicht welche, die Robbie gesammelt hat. Aber die tun nichts mehr. Die sind mausetot.«
Mary war nicht ganz überzeugt. » Und wenn es doch welche gibt?« Sie sah unschlüssig zu Dorothea hinüber, die gerade damit beschäftigt war, die nassen Kleidungsstücke über der Fußwanne auszuwringen. » Ich bitte Trixie immer, unter meinem Bett und im Schrank nachzusehen«, flüsterte sie schließlich kaum hörbar. » Aber ich wache trotzdem nachts auf und habe Angst.«
» Das musst du nicht.« Ian zog sie in eine beschützende Umarmung. » Sobald du nach mir rufst, komme ich angerannt. Versprochen. Und jetzt gehst du besser wieder zu Trixie. Bevor sie sich Sorgen um dich macht. Hinaus mit dir, Fräulein.« Ein liebevoller Klaps unterstrich den Befehl. Mary gehorchte überraschend sanftmütig.
Ian hatte ein unglaubliches Geschick darin, sie um den Finger zu wickeln. Wie bei mir, dachte Dorothea und lächelte ihrer Tochter zu, die behutsam auf Zehenspitzen aus dem Zimmer trippelte. Er schien immer genau zu wissen, was er tun oder sagen musste, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen.
» Warst du da nicht ein wenig voreilig?«, fragte sie leise, sobald Marys Schritte verklungen waren. » Du hörst es doch gar nicht, wenn sie nach dir ruft. Zudem bist du momentan wirklich nicht in der Verfassung, um den Ritter zu spielen. Und außerdem soll man solche kindischen Ängste nicht ernst nehmen. Wo hat sie diesen Unsinn nur wieder her?«
» Vielleicht sollte man Robbie fragen?«, schlug Ian vor. » Ältere Brüder jagen den jüngeren Geschwistern gerne Angst ein. Hat dein Bruder das nicht getan?«
» August? Nein, nie!« Dankbar erinnerte sie sich daran, dass August niemals auch nur daran gedacht zu haben schien, seine Überlegenheit irgendwie auszunutzen. Im Gegenteil: Sie hatte sich immer darauf verlassen können, dass er sie in Schutz nahm, und hatte das auch weidlich ausgenutzt. Wie es ihm wohl gehen mochte? Lange hatte sie nicht mehr an ihn gedacht. Aus den Augen, aus dem Sinn, wie die Witwe aus dem unteren Stockwerk immer geschimpft hatte, wenn man nach ihrem Sohn fragte.
Die Postverbindung zu den neuen Goldfeldern war noch nicht richtig eingespielt, aber sie vermutete, dass es eher an ihrem Bruder lag, der so lästige Dinge, wie Briefe zu schreiben, gerne vergaß. Karl, ihr jüngerer Bruder, schickte pflichtschuldig einmal im Monat einen Bericht, wie es ihm und Koar erging. Wenn der junge Aborigine als Arzt nach Südaustralien zurückkehrte, würde er sicher viel Gutes bewirken können. Das traditionelle Wissen, das er von seinem Großvater vermittelt bekommen hatte, zusammen mit der modernen, medizinischen Ausbildung, müsste ihn zu einem ganz besonderen Arzt machen.
Ein unterdrückter Schmerzenslaut vom Bett her erinnerte sie unsanft an die Gegenwart. Wo blieben Mannara und Vicky nur so lange? » Beweg dich nicht mehr als unbedingt nötig«, sagte sie hastig und eilte zum Bett. » Tut das Bein sehr weh?«
» Den Umständen entsprechend«, gab Ian mit zusammengebissenen Zähnen zurück und versuchte, sich aufzusetzen. » Ich hoffe nur, dass dieses Blätterzeug tatsächlich wirkt.«
» Das wird es«, sagte Dorothea mit aller Überzeugung, die sie aufbringen konnte, während sie ihm die Kissen zurechtzog. Ihre stille Angst, es könne sich ein Wundbrand entwickeln, wagte sie nicht auszusprechen. Hatte nicht auch Robert damals seine tiefe Fleischwunde gut überstanden? Und Mannaras von Blutergüssen bedeckter Körper hatte sich auch erstaunlich schnell erholt. Nur die fehlenden Vorderzähne erinnerten noch an Worammos Gewaltexzess. Dieser kleine Makel schien Parnko allerdings nicht zu stören.
Endlich näherten sich schwere Schritte. In Ermangelung einer freien Hand räusperte Mrs. Perkins sich lautstark, ehe sie mit dem Ellenbogen die Klinke herunterdrückte und eine mit grasgrünem Brei gefüllte Schüssel sowie einen Stapel Stoffbinden auf dem Waschtisch abstellte.
» Anstatt sie zu zerkauen, wie es die Eingeborenen tun, habe ich sie durch die Passiermühle gedreht«, verkündete sie. » Mannara meinte zwar, jetzt fehlten die Kräfte derer, die sie zerkaut haben, aber ich denke, darauf verzichten Sie ganz gerne, oder?«
Der kräftig, dabei durchaus angenehm würzig riechende grüne Brei erinnerte vom Aussehen her an Erbsenpüree. Mrs. Perkins stellte ihn neben dem Bett ab und griff nach der Bettdecke, um sie aufzuschlagen. Leicht belustigt sah Dorothea, wie Ians Hände sich in den Stoff
Weitere Kostenlose Bücher