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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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ihn, hielt sie ihn gepackt, als könne allein ihr Griff ihn unter den Lebenden halten.
    Sie bekam auch nicht mit, wie sich die Menge der Umstehenden teilte, um einen dürren, kleinen Mann mit Arzttasche durchzulassen. » Nehmen Sie die Frau da weg!«, schnarrte eine brüchige Stimme. Kräftige Hände packten sie und zogen sie von Ian weg, sosehr sie sich auch wehrte.
    » Mrs. Rathbone, bitte fassen Sie sich«, sagte einer der Männer streng. » Sie helfen Ihrem Gatten nicht, wenn Sie sich so aufführen. Lassen Sie den Doktor seine Arbeit tun!«
    Halb betäubt verfolgte Dorothea, wie das dürre Männchen sich neben Ian niederkniete und seine Tasche aufklappte. Er zog ein glänzend poliertes Stethoskop hervor, riss Ians Hemd auf und horchte mit quälender Sorgfalt seinen Brustkorb ab. Danach fühlte er mehrmals den Puls am Handgelenk. » Das Herz schlägt zu schnell, aber kräftig. Auch die Lungen sind in Ordnung«, stellte er nüchtern fest. » Was ist vor dem Anfall geschehen?«
    » Nichts Besonderes. Wir haben gegessen, getrunken und uns unterhalten«, erklärte Catriona. » Plötzlich griff sich Ian an den Hals, sprang auf und stürzte zu Boden, wo er sich in Krämpfen wand.«
    » Hm.« Mehr äußerte der Arzt nicht dazu. Zur allgemeinen Verwunderung holte er einen Holzspatel und eine Glasphiole aus den Tiefen der Ledertasche. Mit dem Spatel kratzte er so viel wie möglich von dem Schaum und dem Erbrochenen in die Glasphiole und verkorkte sie. Ian lag jetzt reglos mit geschlossenen Augen und atmete flach. Der Arzt betrachtete ihn nachdenklich. Plötzlich beugte er sich vor und schnupperte wie ein Hund, der einer Fährte folgt. » Was hat der Patient gegessen?«
    » Das Gleiche wie wir alle«, ertönte eine Männerstimme vom Kopf der Tafel her. » Heraus damit: Was vermuten Sie, Doktor?«
    » Ich werde hier keine Diagnose coram publico stellen«, wehrte der Arzt pikiert ab. » Bringen Sie ihn zu Bett, und lassen Sie ihn so viel Tee oder Zuckerwasser trinken wie möglich. Gegen die Krämpfe geben Sie ihm alle zwei Stunden zwanzig Tropfen hiervon.« Er hielt ein braunes Glasfläschchen hoch, sah zweifelnd in Dorotheas Richtung und meinte dann: » Es ist wohl besser, ich schicke eine erfahrene Krankenpflegerin als Nachtwache. Morgen komme ich dann vor der Morgensprechstunde vorbei und werde nach dem Patienten sehen.– Wer ist eigentlich sein Hausarzt?«
    » Dr. Woodforde«, antwortete Dorothea automatisch. » Aber Ian war noch nie krank.«
    » Ja, er ist in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung. Zu seinem Glück. Gute Nacht.«
    Percy und Catriona erwiesen sich als große Hilfe. Percy organisierte eine Krankentrage, mit der Ian in sein Hotelzimmer gebracht wurde, wies die wortkarge Frau ein, die sich als Nurse vorstellte, und sorgte dafür, dass Dorotheas Sachen trotz ihrer Proteste in das Zimmer seiner Schwester gebracht wurden. » Du bist als Krankenschwester von keinem großen Nutzen, wenn du vor Erschöpfung kaum noch die Augen offen halten kannst«, erklärte er sehr vernünftig. » Diese Nurse macht einen ausgezeichneten Eindruck. Überlass ihr die Pflege und erspare Ian den Anblick deiner sorgenvollen Miene. Er würde sich nur verpflichtet fühlen, seine Schmerzen zu unterdrücken, um dich nicht aufzuregen.«
    Catriona stimmte ihm zu, und gemeinsam schafften sie es sogar, Dorothea zu überreden, einen Teelöffel voll von dem Elixier des Zimmermädchens zu schlucken, das Ian zu so erholsamem Schlaf verholfen hatte. Tatsächlich schlief sie danach so fest, dass sie die Krankenvisite des dürren Arztes verpasste. Als sie vorsichtig ins Zimmer spähte, legte die übernächtigt wirkende Nurse bedeutsam den Finger über die Lippen, zeigte auf Ian, der ruhig schlief, und kam auf Zehenspitzen zur Tür geeilt.
    » Es geht dem gnädigen Herrn schon viel besser, Ma’am«, sagte sie so stolz, als sei diese Tatsache allein ihr Verdienst. » Der Doktor meinte, er wäre übern Berg. Wenn er keinen Organschaden davongetragen hat, wird er wieder ganz gesund.«
    » Ein Organschaden?« Völlig verwirrt sah Dorothea die Pflegerin an. » Wieso ein Organschaden?«
    » Keine Ahnung.« Die Frau hob gleichmütig die Schultern. » Davon versteh ich nichts. Er wollte heute Nachmittag noch mal kommen. Dann können Sie ihn ja fragen.«
    Bis Dr. Macaulay, wie das dürre Männchen hieß, zu seiner Nachmittagsvisite kam, hatte Ians Genesung rasante Fortschritte gemacht. Zwar hatte er den Teller Haferschleim mit Empörung

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