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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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Beispiel könnte man nie aus der Wolle der Shetlandschafe gewinnen. Ihr Fell ist zu kraus und dick, wie mir jemand einmal erklärt hat. Dafür braucht es Merinos, weil nur ihre Fellfasern schön lang und glatt sind. Leider sind sie jedoch empfindlicher als andere Rassen. Deswegen versuchen die Züchter, Merinos mit anderen, unempfindlicheren Schafen zu kreuzen. Solchen, die bei ungünstiger Witterung nicht ständig die Lämmer verlieren. Außerdem wäre es nicht schlecht, wenn man sie leichter scheren könnte.«
    » Du meinst, wenn sie nicht diese hässlichen Speckfalten hätten?«
    »Genau. Die sind nicht nur hässlich. Wenn die Scherer nicht sehr aufpassen, verletzen sie die Tiere, und hat die Wunde sich erst einmal entzündet, ist nicht mehr viel zu machen. Ideal wäre ein Schaf mit der Wolle der Merinos, aber mit dem Körperbau und der Zähigkeit von Shetlandschafen.«
    » Wenn ich das jemandem in England erzähle, wird er mir nicht glauben!« Percy gluckste geradezu vor Vergnügen. » Ich sitze bei einem Bankett zur Feier des Geburtstags unserer geliebten Königin, und meine Tischdame hält mir einen Vortrag über die Vorzüge diverser Schafrassen!«
    Dorothea musste lachen. » Entschuldige! Die Umgebung muss ansteckend wirken. Worüber würdest du denn lieber reden?«
    » Ich gestehe, etwas ratlos zu sein. In Gesellschaft junger Damen spricht ein Gentleman viel über die Schönheit seines Gegenübers, seine weiblichen Reize– natürlich in höflicher Umschreibung. Nichtigkeiten eben. Aber ich fürchte, damit würde ich dich zu Tode langweilen. Stimmt’s?«
    » Ich glaube, keine Frau wird es müde, Komplimente zu hören«, gab Dorothea leichthin zurück und überlegte im Stillen, wann Ian ihr das letzte Mal eines gemacht hatte.
    » Im Ernst? Dann will ich mir Mühe geben, dich nicht zu enttäuschen.«
    Der weiteren Speisenfolge schenkte Dorothea nicht mehr die Aufmerksamkeit, die die Meisterwerke des Kochs verdient gehabt hätten. Genau zwischen ihr und Ian stand ein üppiger Tafelaufsatz, der ihn und Catriona völlig verbarg. Percy unterhielt sie glänzend, indem er ihr die Schmeicheleien aufzählte, die seiner Ansicht nach zu ihr passen würden.
    Nach dem zweiten Glas Claret wurden seine Komplimente einen Hauch anzüglich, aber Dorothea schrieb das dem Einfluss des Alkohols zu. Wieso auch sollte sie sich nicht darüber freuen, dass ein weltläufiger Mann wie ihr Cousin ihre Augen mit Waldteichen, ihre Lippen mit reifen Pfirsichen und ihre bloßen Schultern mit Carraramarmor verglich?
    Wären sie allein gewesen, hätte sie vielleicht begonnen, sich unwohl zu fühlen. Aber inmitten der Gesellschaft, beruhigte sie die kleine warnende Stimme in ihrem Hinterkopf, konnte sie ja wohl ein kleines bisschen leichtsinnig sein.

8

    Ein spitzer Aufschrei Catrionas riss sie aus ihrer heiteren Stimmung. Mit lautem Klirren zersprang Porzellan. Stuhlbeine scharrten über den Boden. Es folgte ein dumpfer Aufprall. » Ian, was ist mir dir?« Catrionas Stimme klang schrill und geradezu panisch.
    Der monumentale Tafelaufsatz voll exotischer Früchte und Blumen genau vor ihr versperrte Dorothea die Sicht. Ians unmittelbare Sitznachbarn waren aufgesprungen und vom Tisch zurückgewichen. Ihre Gesichter zeigten alle Anzeichen von Entsetzen. Keine angemessene Reaktion auf einen zerbrochenen Teller.
    Als dann auch noch ein gurgelndes Röcheln an ihr Ohr drang, hielt es Dorothea nicht mehr auf ihrem Platz. Ohne einen Gedanken an Schicklichkeit rutschte sie vom Stuhl und kroch auf allen vieren unter dem Tisch durch. Sie musste zu Ian! Ihm helfen!
    Er wälzte sich mit verzerrtem, schweißnassem Gesicht auf dem Boden und stöhnte laut. Zu Dorotheas Entsetzen drang ihm weißlicher Schaum aus Mund und Nase. Was war geschehen? Ohne sich dessen bewusst zu sein, packte sie ihn an den Schultern, schüttelte ihn und schrie: » Du darfst nicht sterben! Hörst du? Du darfst mich nicht allein lassen!«
    Sie bekam nicht mit, wie die allgemeine Unruhe sich wie eine Welle an der Tafel ausbreitete. Nicht die befehlsgewohnte Männerstimme, die rief: » Ein Arzt. Holt einen Arzt!« Es war nur noch schiere Panik, die sie beherrschte. Nichts zählte, außer Ian, der sich vor Schmerzen wand. » Ian, was ist geschehen?« Achtlos griff sie nach dem Saum ihres Kleides, um den Schaum und das Erbrochene abzuwischen, das ihm aus dem Mund quoll. Es war kein Blut, dennoch erinnerte es sie an die schrecklichen letzten Minuten Roberts. Halb wahnsinnig vor Angst um

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