Die roten Blüten der Sehnsucht
amüsierten Blick wechselten, bevor sie mit der Menge ins Haus getragen wurde. Die Weiblichkeit im Damenzimmer, wie der große Salon im Erdgeschoss genannt wurde, wirkte weniger erfreut. Die meisten hatten sich große Mühe gegeben, mit ihren Garderoben der glanzvollen Gelegenheit gerecht zu werden. Catrionas elegante Erscheinung, die gerade eben einem Modemagazin entsprungen zu sein schien, weckte dort nicht nur Bewunderung. Eine Matrone in dunkelpurpurfarbenem Damast mit zwei Reihen schwarzer Seidenfransen am Saum winkte ihnen herrisch, näher zu treten.
Mrs. Morphett war Dorothea noch nie besonders sympathisch gewesen. » Dorothy Rathbone, tragen Sie jetzt endlich auch ein Schnürmieder!«, trompetete sie quer durch den Raum. » Das wurde auch Zeit. Sie fingen an, ganz schön aus dem Leim zu gehen. Und wer ist diese Person neben Ihnen?« Mit ihren wurstförmigen Fingern griff sie nach dem Lorgnon, das an einem schwarzen Samtband um ihren Hals hing, hob es vor eines ihrer wässrig blauen Augen und musterte Catriona, als stünde sie zum Verkauf.
Ehe Dorothea ihren Ärger heruntergeschluckt hatte, hatte Catriona schon selbst ihre Vorstellung in die Hand genommen. » Catriona Grenfell ist mein Name, Gnädigste«, flötete sie und knickste. Allerdings fehlte dem Knicks jede Demut. Er war eher die Karikatur eines Knickses, und Dorothea hätte gewettet, dass er auch nicht als höfliche Geste gedacht war. » Und Ihr werter Name, Madam?«
Mrs. Morphett schnappte sichtlich nach Luft, und eine ungesunde Röte stieg ihr ins Gesicht. Der Spott war zu auffällig gewesen.
» Mrs. Morphett, ich hoffe, es geht Ihnen gut?«, fragte Dorothea halb besorgt, halb schadenfroh. » Soll ich Ihnen ein Glas Ratafia holen?«
» Ich glaube, Mrs. Morphett bevorzugt Mandelmilch«, ertönte eine angenehme Stimme neben ihr. » Erlauben Sie?« Ehe sie sichs versah, hatte eine unauffällige Frau in flohfarbenem Samt sie beiseitegeschoben und neben Mrs. Morphett Platz genommen. » Nun gehen Sie schon, ehe sie noch der Schlag trifft«, zischte sie Dorothea zu. Die gehorchte nur zu gerne. Wenn Ian zu Ohren kam, dass Catriona Mrs. Morphett verärgert hatte, wäre er sicher ausgesprochen ungehalten. Mindestens.
John Morphett war einer der wichtigsten Männer Südaustraliens. Einige Stimmen meinten sogar: der wichtigste. Sein riesiger Landbesitz sicherte ihm ebenso wie sein immenser Reichtum großen Einfluss auf jede politische Entscheidung. Dass er die Tochter von James Hurtle Fisher geheiratet hatte, hatte seinen Einfluss noch vergrößert. Der ehemalige Bürgermeister von Adelaide hatte neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch zahlreiche andere politische Ämter inne oder innegehabt. Die Allianz dieser beiden Familien war mächtiger als der Gouverneur.
Catriona war inzwischen von einer großen Anzahl der jüngeren Damen umgeben, die aus ihrer Bewunderung für die modische Extravaganz des Neuankömmlings keinen Hehl machten. Hier konnte sie wenig Schaden anrichten– außer vielleicht, dass sie sich bei den Eltern der Debütantinnen nicht gerade beliebt machen dürfte, wenn diese alle auf Kopien von Catrionas Robe bestünden.
Es dauerte nicht lang, bis der Gong ertönte und in feierliches Schwarz gekleidete Diener erschienen, um die Gäste an ihre Plätze zu führen. Wie es üblich war, fand Dorothea sich mit Percy als Tischherrn genau gegenüber von Ian und Catriona platziert. Der ältere Herr an ihrer anderen Seite ließ keine Zweifel darüber aufkommen, dass er mehr daran interessiert war, möglichst viel in sich hineinzuschaufeln, als mit höflicher Konversation seine Zeit zu verschwenden. Halb erleichtert, halb verärgert wandte Dorothea sich Percy zu. » Nun, hast du im Herrenzimmer schon einen vorläufigen Eindruck gewinnen können?«, fragte sie ihn mit gesenkter Stimme, während die Kellner die Teller mit der appetitlich duftenden Krebssuppe auftrugen.
» Es war recht interessant«, gab Percy genauso leise zurück. » Wenn ich auch gestehen muss, dass ich den Fachgesprächen kaum folgen konnte. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Schafzucht ein solches Maß an Kenntnis verlangt!« Es klang ehrlich erstaunt.
Dorothea musste lächeln. » Ja, so ging es mir auch! Als ich nach Eden House kam, wusste ich von Schafen nur, dass sie Wolle geben und dass Engländer sie gerne essen. Dass Schafwolle so unterschiedliche Qualitäten haben kann, hätte ich mir nie träumen lassen.« Sie berührte seinen Ärmel. » Dies feine Tuch zum
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