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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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als für einen Richter hätte halten können.
    Es dauerte seine Zeit, bis die Zuhörer, die Einlass gefunden hatten, sich in den Sitzreihen verteilten. Die Damen mussten ihre Röcke ordnen, die Herren noch ein letztes Wort mit dem Nachbarn wechseln. Richter Cooper wartete geduldig, bis der Gerichtsdiener die schweren Flügeltüren geschlossen und seinen Platz neben dem Ausgang eingenommen hatte. Dann erst hob er die Stimme, einen auffallend volltönenden Bariton, um die Sitzung zu eröffnen.
    » Ich habe heute diese Anhörung angesetzt, weil ein Doktor der Medizin schreckliche Vorwürfe gegen eine geachtete und bekannte Mitbürgerin unserer Kolonie erhebt«, begann er. » Seit ich die Ehre habe, hier Richter zu sein, hat es keinen ähnlichen Fall gegeben. Ich darf hinzufügen, dass selbst das angebliche Opfer die Vorwürfe für völlig an den Haaren herbeigezogen hält, aber dennoch ist es meine Pflicht als Vertreter von Gesetz und Ordnung, den Vorfall so gut wie möglich aufzuklären. Auch, damit jeglicher Verdacht gegen die Dame ausgeräumt wird.– Gerichtsdiener, führen Sie bitte Dr. Ambrose Macaulay herein.«
    Dorothea betrachtete den Mann, der ihr eine solch höllische Zeit bereitete, mit abgrundtiefer Abneigung. Dr. Macaulay hatte sich für die Anhörung mächtig herausgeputzt: Zu einem altmodischen Rock aus braunem Samt trug er eine apfelgrün und amethystfarben gemusterte Krawatte, die Catriona ein gequältes Stöhnen entlockte.
    » Schade, dass man ihn nicht wegen Verbrechens gegen den guten Geschmack verurteilen kann«, wisperte sie.
    » Bitte, nehmen Sie Platz, Dr. Macaulay«, sagte Richter Cooper freundlich und wies auf den Zeugenstuhl direkt vor sich. Es war nicht unbedingt üblich, dass Zeugen während ihrer Befragung sitzen durften– bei Richter Cooper stand sogar ein gepolsterter Stuhl für sie bereit.
    » Danke, Euer Ehren.« Der Arzt platzierte umständlich seinen Hut auf den Knien und blickte nervös zur Richterbank auf. Hoffentlich bereute er schon, was er so leichtfertig losgetreten hatte!
    » Sie sind Doktor der Medizin?«, begann Richter Cooper im Plauderton. » Darf ich nach Ihrer Ausbildung und Praxistätigkeit fragen?«
    » Natürlich.« Dr. Macaulay räusperte sich. » Meine Ausbildung erhielt ich am Lehrhospital St. Bartholomew’s. Danach praktizierte ich einige Jahre als Schiffsarzt, bevor ich aus gesundheitlichen Gründen eine Stellung am Guy’s Hospital in London annahm.«
    Der quirlige Charles Mann sprang auf: » Was war Ihre Tätigkeit dort, wenn ich fragen darf?«
    Dr. Macaulay warf Richter Cooper einen Hilfe suchenden Blick zu.
    » Mr. Mann darf Sie befragen«, belehrte der Richter ihn. » Bitte antworten Sie ihm.«
    » Ich leitete die innere Abteilung für Männer«, sagte der Doktor kurz angebunden.
    » Ginge es etwas ausführlicher?« Charles Mann sah sich um wie ein Schauspieler, der den Beifall des Publikums erwartet. » Sie müssen schon darlegen, woher die Kenntnisse stammen, aufgrund derer Sie hier eine Dame der Gesellschaft eines so scheußlichen Verbrechens verdächtigen, Doktor!«
    Die Röte schoss dem mageren Mann ins Gesicht, aber er beherrschte seinen Zorn: » In meine Abteilung kamen all jene, die ein unklares Krankheitsbild hatten«, erwiderte er schmallippig. » Es gab Cholerafälle, rheumatische Fieber, Typhus, Tuberkulose, aber auch Vergiftungen und natürlich jede Menge organischer Erkrankungen.«
    » Sie würden also von sich selbst sagen, dass Sie erfahren im Umgang mit Vergiftungen sind? Wie viele haben Sie während Ihrer Zeit an diesem Hospital behandelt?«
    » Das kann ich jetzt nicht beziffern!«, gab der Arzt unwirsch zurück. » Mal waren es mehr, mal weniger. Ich würde sagen: eine Handvoll im Monat.«
    » Und waren es alles Arsenikvergiftungen?«
    » Die meisten. Dicht gefolgt von Opiumvergiftungen.«
    » Können Sie uns erklären, wieso eine so erschreckend große Anzahl Menschen diese Gifte zu sich genommen hat?«
    Dr. Macaulay schnaubte verächtlich. » Das kann ich Ihnen sehr wohl sagen: Fragen Sie mal die Drogisten, was ihnen aus den Händen gerissen wird. Es ist immer das Gleiche: Opiumtinktur! Haben Sie etwa keine zu Hause?– Und Arsenik gibt es doch überall spottbillig. Selbst Kinder können es einfach über den Ladentisch kaufen. Da ist es kein Wunder, wenn manche Leute auf dumme Gedanken kommen. Man müsste…«
    » Danke, Doktor«, unterbrach ihn der Richter freundlich. » Das ist jetzt nicht unser Thema. Ich denke, Mr. Mann wird mir

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