Die roten Blüten der Sehnsucht
durch Zauberhand frisches Ale reifen oder verwässertes Bier ordentlich schäumen zu lassen. Wenn es dann zu schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen kam, wurde diese Praxis angeprangert und gefordert, die Wirte zu kontrollieren. Aber sobald die Aufregung sich gelegt hatte, fiel alles wieder in den alten Trott.
Weiß der Teufel, was der Wirt des Pubs, in dem sie an dem Abend noch spät eingekehrt waren, in sein Gebräu geschüttet hatte! Natürlich war Ian das fette, reichliche Essen des Banketts so bald darauf nicht bekommen. Eigentlich war alles so klar, dass sie selbst nicht verstand, wieso sie nicht davon überzeugt war.
Richter Cooper hatte die Anhörung auf zehn Uhr vormittags angesetzt. Vor dem Gericht drängten sich bereits die Neugierigen. Eine Klage wegen versuchten Giftmords versprach, Nervenkitzel in das öde Leben in Adelaide zu bringen. Die Zeitungen hatten das ihre dazu beigetragen, das Interesse anzuheizen, indem sie in aller Ausführlichkeit über den berühmten Giftmord der Marie Lafarge berichtet hatten. Marie Lafarge, geborene Cappelle, war die Tochter eines wenig bemittelten, aber krankhaft stolzen Obersten, der unter Napoleon gedient hatte. Nach dem frühen Tod der Eltern hatten sich zwar wohlhabende, jedoch keineswegs reiche Pflegeeltern des Mädchens angenommen und es auf besonders gute Schulen geschickt, wo es mit Töchtern der Aristokratie und des Geldadels zusammentraf. Um in dieser Umgebung als gleichberechtigt angesehen zu werden, täuschte sie geschickt vor, aus einer vermögenden Familie zu stammen. Doch leider war sie weder schön noch reich genug für eine gute Partie. Zunehmend verbittert nahm sie im August 1839 den Heiratsantrag von Charles Lafarge an, der sich als Industrieller und Schlossbesitzer ausgab. Wie groß muss ihre Enttäuschung gewesen sein, als sie das » Schloss« erblickte! Der Besitz entpuppte sich als ein heruntergekommenes Klostergebäude, düster, feucht und von Ratten verseucht, die selbst am helllichten Tag durch die Zimmer huschten.
Aber auch Charles Lafarge musste erkennen, dass er keine reiche Erbin geheiratet hatte, sondern eine Frau, deren kleines Vermögen nicht einmal ausreichte, die dringendsten Schulden zu bezahlen. Erstaunlicherweise schrieb sie in dieser Zeit Unmengen Briefe, in denen sie ihren Freundinnen und Pflegeeltern ein Leben schilderte, wie sie es sich wohl erträumt hatte. Im Dezember reiste er nach Paris, mit Empfehlungsschreiben seiner Frau versehen, um dort Geld aufzutreiben.
Um ihm die Zeit über Weihnachten » zu versüßen«, schickte seine Frau ihm einen speziellen Weihnachtskuchen. Leider war er wohl auf dem Weg verdorben, denn kurz nachdem er ihn verzehrt hatte, erlitt Lafarge einen schweren Choleraanfall. Nichts Besonderes in einer Großstadt wie Paris– und so verzichtete er auf die Konsultation eines Arztes.
Im Januar kehrte er nach Hause zurück, immer noch schwächlich, und wurde herzlich von seiner Frau empfangen und umsorgt. Schon am ersten Tag nach seiner Rückkehr überfiel ihn erneut die » Pariser Krankheit«. Der Hausarzt vermutete ebenfalls Cholera und stellte Marie Lafarge sogar noch ein Rezept für Arsenik aus– wegen der Ratten.
Erst allmählich, als sich keine Besserung einstellen wollte, schöpfte der übrige Haushalt Verdacht. Als ein weiterer Arzt feststellte, dass nur eine Arsenikvergiftung all diese Symptome hervorrufen konnte, war es zu spät. Am 14. Januar 1840 starb Charles Lafarge unter schrecklichen Krämpfen.
Jetzt begann der eigentliche » Fall Lafarge«. Zuerst hielt der zuständige Friedensrichter die Anklage für böswillige Verleumdung. Seine Einstellung änderte sich jedoch, als bekannt wurde, dass Marie Lafarge in der Apotheke der nahe gelegenen Stadt größere Mengen Arsen gekauft hatte. Die Daten ihrer Käufe passten genau zu den Krankheitsanfällen ihres Mannes. Der Richter entschied, nicht nur die verdächtigen Speisereste, sondern auch den Mageninhalt des Toten auf Arsen untersuchen zu lassen. Eine Entscheidung, die die beauftragten Ärzte und Apotheker in höchste Verlegenheit brachte, hatten sie doch nur oberflächliche Kenntnisse der » Marsh’schen Probe«.
In den folgenden Wochen entbrannte eine Art Krieg zwischen den Verteidigern von Marie Lafarge, den » Lafargisten«, die sie für eine unschuldig Verfolgte hielten, und denjenigen, die in ihr eine kaltblütige Giftmörderin sahen. Die Beweislage schwankte ständig: Mal wurde in den unterschiedlichen Experimenten Arsenik
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