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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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über Männer, aber was sie plötzlich in seinen Augen sah, war ihr unangenehm. Es war der Ausdruck eines hungrigen Tiers. »Und ein hübsches junges Ding obendrein.« Er schnalzte mit der Zunge. »Hhm … nun, vielleicht hätte ich wirklich etwas für dich. Ich könnte dir eine Stelle bei mir anbieten. Du müsstest mir nur mein Bett ein bisschen wärmen.«
    Lina schluckte. Hatte er ihr etwa gerade vorgeschlagen, seine Geliebte zu werden?
    »Ich würde lieber eine andere Arbeit annehmen«, gab sie so ruhig wie möglich zurück. »Außerdem brauche ich auch für meine Schwester einen Platz.«
    Seip hob die Schultern und sah sie schon wieder mit diesem unangenehmen Ausdruck an. »Bring sie mit. Für sie wird sich sicher auch Verwendung finden.«
    Fast hätte Lina gewürgt. »Nein danke«, brachte sie mühsam hervor. »Ich werde schon selbst etwas finden.« Fluchtartig kehrte sie dem Mann den Rücken und eilte aus dem Raum.
    »Mein Angebot steht«, rief Seip ihr hinterher. »Du solltest es dir wirklich überlegen. Ich zahle nicht schlecht!«
    Wo der Fluss ins offene Meer überging, war der Uferschlamm übersät mit vielen flachen, runden Löchern, in denen das Wasser stand. Sie sahen aus, als hätte sie jemand einst mit viel Geduld in den Sand gegraben, aber nun schien sich niemand mehr darum zu kümmern, denn die niedrigen Wände waren brüchig und eingefallen. Später erfuhr Lina, dass es sich um Salzgruben handelte. Die Gruben füllten sich mit Meerwasser, und Sonne und Wind ließen das Wasser verdunsten, bis nur das Salz zurückblieb. Für ein paar Wochen war es gut gegangen, aber dann hatten die kleinen Krabben, die hier überall herumkrochen, angefangen, die Wände der Gruben zu zerstören. Man hätte die Gruben mit Mörtel befestigen müssen, aber dafür war kein Geld da. Und so lagen sie nun ungenutzt brach.
    Lina atmete ein letztes Mal tief den Geruch nach Meer und Salz ein, dann drehte sie sich um und machte sich auf die Suche nach Arbeit.
    Nelson war erst dabei, zu einer Stadt zu werden. Die einfachen, aus festgestampftem Lehm gefertigten Straßen verliefen rechtwinklig zueinander, und zwischen den Häusern und Läden gab es noch viele unbebaute Flächen voller Gras und Farn, auf denen vereinzelt Schilder standen. Etliche davon, so hatte Kelling erklärt, waren Besitz der Compagnie und manche gehörten den eingeborenen Maori. Wo die Straßen endeten, waren bereits ein paar Pfade durch den dichten Farn geschlagen worden; dort würden demnächst sicher weitere Straßen gebaut werden.
    Es war erstaunlich ruhig. Lina hätte erwartet, dass in einer neu gegründeten Kolonie mehr Arbeiten im Gang wären. Doch am Straßenrand türmten sich Pflastersteine, und manch ein Bauwerk stand halb fertig und verlassen da. Mit der Pleite der Neuseeland-Compagnie waren offenbar so gut wie alle Arbeiten an Straßen, öffentlichen Gebäuden und Plätzen eingestellt worden. Auf ihrem Weg durch den Ort kam sie an einem Postgebäude und an mehreren Wirtshäusern vorbei. In einer Straße wurde offenbar gerade ein kleines Hotel gebaut, doch auch hier ruhte die Arbeit. Nur aus der offenen Tür eines Hauses drang der dumpfe Klang eines Schmiedehammers.
    Lina versuchte es in jedem Laden, dessen Namensschild einen deutschen Inhaber vermuten ließ. In den meisten Läden wurde ein wildes Sammelsurium an allem Möglichen verkauft: Uhren standen da neben Schinken, Kerzen neben Tabaksdosen, Tassen neben Büchern. Dafür fehlte es offenbar an so wichtigen Dingen wie Mehl oder Kartoffeln.
    Überall fragte sie nach Arbeit. Und überall erhielt sie dieselbe Antwort: »Nein, leider nicht.«
    Am Nachmittag hatte sie fast alle Straßen nach passenden Läden abgesucht und ihr Mut sank. Als Nächstes würde sie es auf Englisch versuchen müssen, auch wenn sie sich das eigentlich noch nicht zutraute. Und wenn das auch nicht zum Erfolg führte? Würde sie Seips Angebot annehmen? Nein, niemals. Eher würde sie sich den Leuten anschließen, die nach Australien auswandern wollten. Aber vorher würde sie alle Möglichkeiten ausschöpfen. Ob sie irgendwo ein Stellengesuch aufhängen könnte? Dann musste sie sich erst irgendwo Papier, Feder und Tinte besorgen.
    Vor einem Laden in der Nile Street stand ein Eselskarren. Der kleine Laden gehörte laut Schild einem Mr Schumacher. Das hörte sich deutsch an. Ob sie hier endlich Glück hatte?
    Ein heller Glockenton ertönte, als sie die Tür öffnete. Auf den Regalen hinter der Theke stapelten sich Gläser und

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