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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Spielen.«
    Seemöwen kreischten über ihren Köpfen. Am Himmel ballten sich Wolken, und ein leichter Wind wehte vom Meer her und brachte den Geruch von Algen und Fisch mit.
    Wie viel Zeit war wohl schon verstrichen? Sie hatte keine Uhr, aber sie schätzte, dass sicher schon über eine Stunde vergangen war. Allmählich kamen ihr wirklich Zweifel. Wenn er nun doch nicht kam? Wenn die versprochene Stelle gar keine war?
    Sie erhob sich, als sie ein entferntes Rumpeln hörte. Ein Karren tauchte hinter der Palisade auf. War er das endlich? Die Sonne blendete sie und sie legte die Hand über die Augen, um besser sehen zu können.
    Rieke hüpfte auf den Stein, auf dem Lina gesessen hatte, und schnappte nach Luft. »Lina, sieh! Das ist doch …!«
    »Ja!«, zischte Lina. »Ich sehe es!«
    Ihr Herz klopfte plötzlich schneller, diesmal aber nicht vor Aufregung, sondern vor Unbehagen.
    Es war nicht Mr Treban, der da auf dem Kutschbock des kleinen Karrens saß, der von einem Esel gezogen wurde. Es war der arrogante junge Mann, der sie vor Kurzem wegen der paar niedergetretenen Setzlinge so unfreundlich abgekanzelt hatte. Sollte er sie etwa abholen? Lina wäre am liebsten wieder zurückgelaufen in die Einwandererunterkünfte. Aber sie riss sich zusammen. So würdevoll wie möglich stand sie da und presste ihre Reisetasche wie einen Schutz an sich. Rieke stellte sich neben sie.
    Knapp vor ihnen kam das Gefährt zum Stehen. »Ich soll Sie abholen.«
    »Guten Tag«, sagte Lina förmlich und zwang sich zu einem Lächeln. »Dann … dann arbeiten Sie also auch für Mr Treban?«, fragte sie, weil ihr nichts anderes einfiel. Na, das konnte ja heiter werden.
    »Könnte man so sagen.« Er streckte die Hand aus.
    Lina reichte ihm ihre Reisetasche hinauf, die er hinter sich verstaute. Rieke war schon dabei, zur Tasche auf die Ladefläche zu klettern, sodass Lina nichts anderes übrig blieb, als neben ihrem jungen Fahrer auf dem Kutschbock Platz zu nehmen. Mit einem Ruck ging die Fahrt los.
    Sobald sie die Zugbrücke hinter sich gelassen hatten, fuhr er schneller. Er trieb den Esel über die leicht abschüssige Straße, dass es nur so holperte und Lina sich an der Umrandung des Kutschbocks festhalten musste, um nicht gegen ihn zu stoßen oder gar vom Sitz zu fallen. Machte ihm das etwa Spaß? Aber sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als ihn um Mäßigung zu bitten. Erst als die Häuser dichter standen, fuhr er wieder langsamer.
    Lina lockerte ihren verkrampften Griff und betrachtete die Umgebung. Nelson lag umgeben von Meer und Bergen. Das Meer kannte sie, schließlich war sie an der Küste aufgewachsen, aber die Berge, die sich im Hintergrund erhoben, faszinierten sie. Überhaupt gab es nur wenig flaches Land, die meisten der schilfgedeckten Häuser schmiegten sich in Höcker und Mulden. Und überall sah sie kleine Äcker oder Gemüsebeete – fast jedes Haus besaß eines. Frauen arbeiteten darin und sahen kurz auf, als sie vorüberfuhren.
    Auf der ungepflasterten Straße kamen ihnen ein paar Kühe entgegen, von einem Sägewerk am Fluss drangen Hammerschläge. Sie kamen an einem Feld vorbei, auf dem ein Mann einen Pflug durch die Erde trieb, vor den weder Pferd noch Ochse, sondern eine ganze Handvoll Ziegen gespannt war. Nebenan sah sie Leute beim Hausbau. Ein rohes Gerüst des Hauses stand schon, nun wurden die Wände errichtet. Zwei Frauen traten mit nackten Füßen Lehm, mit dem sie später alles abdichten würden.
    Linas Blick streifte ihren Kutscher. Heute wirkte er nicht ganz so mürrisch wie vor einigen Tagen. Allerdings hätte er ruhig mit ihr reden können.
    Aber was erwartete sie schon von einem Stallburschen? Seine Kleidung – Hemd, Weste und Hose – war von einfachem Schnitt und robuster Machart, wie bei allen Siedlern eher praktisch als modisch. Man sah ihr an, dass sie nicht mehr neu war. Die Hose wies ein paar schlecht geflickte Löcher auf und an seinem Hemd entdeckte Lina einen langen Riss . An den Füßen trug er derbe Stiefel – sicherlich gut geeignet für das dichte Gestrüpp, das hier entlang des Weges wuchs. Lina kam sich in ihren Schuhen mit der dünnen Ledersohle ziemlich unpassend gekleidet vor.
    »Ist es noch weit?« Irgendetwas musste sie schließlich sagen.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Was tun Sie für Mr Treban?«, versuchte sie es erneut. Meine Güte, sie wusste nicht einmal, wie er hieß.
    Er hob die Schultern. »Dies und das. Was eben so anfällt.«
    Wieso stellte er keine Gegenfrage? Ungehobelter

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