Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
ungewohnte Kombination aus gestampften Kartoffeln und Äpfeln. Nun ja, wenigstens machte es satt.
    Lina gewöhnte sich rasch an die viele Arbeit. An manchen Tagen machte sie ihr sogar Spaß. Beim Kochen ging sie bald dazu über, ein bisschen mit den vorhandenen Sachen zu experimentieren. Viele Möglichkeiten hatte sie allerdings nicht; meist gab es Kartoffeln, selbst gebackenes Brot und ein bisschen Gemüse, nur sehr selten gepökeltes Schweinefleisch oder Fisch. Manchmal brachte Alexander einen toten Vogel mit; er war mit der Steinschleuder recht geschickt darin, die wilden Fruchttauben zu erlegen, die sich auf die Obstbäume stürzten. Das waren die seltenen Tage, an denen frisches Fleisch auf den Tisch kam.
    Jeden zweiten Sonntag, wenn auch Pastor Heine in Nelson war, hatten Lina und Rieke frei. Dann ging es festlich gekleidet mit den anderen protestantischen Deutschen aus Nelson zum Gottesdienst auf Church Hill. So hatte man den Hügel genannt, auf dem das Fort und die Einwandererunterkünfte standen.
    Pastor Heine, der gern ein Glas Apfelwein mit Mr Treban trank, kam regelmäßig vorbei und hielt sie über alle Dinge, die in der jungen Kolonie vorgingen, auf dem Laufenden. So erfuhr Lina, dass ein großer Teil der Skjold -Passagiere Nelson verließ und sich nach Australien einschiffte. Die meisten der anderen deutschen Auswanderer hatten sich mit den Kelling-Brüdern in Waimea niedergelassen, nur wenige Kilometer von Nelson entfernt. Die kleine Siedlung wurde Ranzau genannt, nach dem Grafen, der ihre Überfahrt möglich gemacht hatte. Sieben Familien lebten jetzt dort und bestellten das Land. Und wie in Nelson kam Pastor Heine auch in Ranzau regelmäßig vorbei, las die Messe und unterrichtete die Kinder. So pendelte der gute Pastor zwischen den beiden Orten hin und her, um ja keines seiner Schäfchen zu vernachlässigen, und sorgte dafür, dass die Kinder der deutschen Einwanderer jede zweite Woche die Schule besuchen konnten.
    Der November hatte sich brütend warm über das Land gelegt. Lina saß bei geöffneter Tür in der Stube und sortierte die Wäschestücke, die sie morgen waschen wollte – die dunklen Stoffe auf die eine Seite, die hellen Hemden und Halstücher auf die andere. Die weißen Stücke würde sie nach dem Waschen zum Bleichen auslegen. Wenn es weiterhin so warm blieb, würden sie schnell trocknen.
    Ein paar Fliegen summten durch die Stube. Die kleine Sophie saß in einer Zimmerecke und beschäftigte sich mit einer Stoffpuppe, die Julius ihr gemacht hatte. Mr Treban war unterwegs und Alexander errichtete einen Zaun um den Gemüsegarten. Julius und Rieke waren dazu abkommandiert worden, den Hühnerstall zu säubern, aber es war verdächtig still. Lina konnte sich kaum vorstellen, dass die beiden tatsächlich einmal schweigend ihre Arbeit taten.
    Sie griff nach einem weiteren Hemd. Alexanders Hemd. Ein seltsames Kribbeln stieg in ihr auf, als sie daran dachte, dass er es bis vor Kurzem noch getragen hatte. Verstohlen strich sie über den verschwitzten und verdreckten Kragen, dann hob sie das Hemd an ihr Gesicht. Es roch nach ihm.
    Sie ließ das Hemd hastig sinken, als Julius hereinkam.
    »Durst«, verkündete er, ging gemächlichen Schrittes zum Wasserfass, hob die Kelle und trank ein paar Schlucke.
    »Seid ihr fertig im Hühnerstall?«, fragte Lina.
    Er schüttelte den Kopf, trank weiter und wies dann mit einer leichten Kopfbewegung auf Sophie. Lina drehte sich zu dem kleinen Mädchen, das vergnügt mit seiner Puppe plapperte, und hörte, wie Julius wieder ging.
    Als Lina sich wieder umdrehte, um sich ihrer Arbeit zuzuwenden, erstarrte sie – und schrie im nächsten Moment laut auf: Auf dem freigeräumten Esstisch saß eine Kreatur, die direkt der Hölle entsprungen schien. Es sah aus wie ein großer brauner Grashüpfer, mit einem gepanzerten Körper und sechs langen, kräftigen Beinen. Und es war riesig – allein der Körper war bestimmt so lang wie ihr Mittelfinger.
    Angstvoll wich sie zurück. Wenn das Vieh sie nun anspringen würde? Es hieß zwar, in Neuseeland gebe es keine gefährlichen oder giftigen Tiere, aber wer konnte da schon so sicher sein?
    Sie war noch nicht bis zur Tür gekommen, als Alexander schon dort erschien. Er atmete heftig, als wäre er gerannt.
    »Was ist los? Ist was passiert?«
    Zitternd deutete sie auf das kleine Monster – und erwartete, dass Alexander nun beherzt zur Tat schreiten würde. Aber statt sie vor dem Monster zu retten, fiel seine angespannte Haltung

Weitere Kostenlose Bücher