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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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geklagt?«, unterbrach ihn sein Vater. »Nun, morgen wirst du sie los.«
    »Aber … es tut gar nicht mehr weh. Wirklich nicht!«
    »Keine Widerrede!«, sagte Treban. »Morgen früh statten wir alle diesem Dr. Stewart einen Besuch ab.«
    Lina warf Alexander einen verstohlenen Blick zu. Er hatte seinen Teller zurückgeschoben und sammelte wortlos ein paar verstreute Brotkrümel ein. Sie hatte den Eindruck, dass er genau wie sein jüngerer Bruder etwas blasser geworden war.
    Mr Treban hatte einen guten Zeitpunkt für den Besuch bei Dr. Stewart gewählt. In dieser Woche war keine Schule für die Kinder, und die Arbeit auf Hof und Plantage konnte ein paar Stunden ruhen.
    Das Frühstück am nächsten Morgen verlief noch schweigsamer als sonst, sogar Julius und Rieke machten ausnahmsweise einmal keine Faxen. Nur Sophie krähte fröhlich vor sich hin.
    Sie nahmen den Eselskarren und brachten das kleine Mädchen zu ihren nächsten Nachbarn, den Tucketts, einer freundlichen englischen Familie. Als sie weiterfuhren, zog Julius ein Gesicht, als wäre auch er am liebsten dort geblieben.
    Der Weg hinunter nach Nelson und bis in die Trafalgar Street zog sich. Alexander und sein Vater saßen auf dem Kutschbock, die Mädchen und Julius auf der Ladefläche, zusammen mit mehreren Flaschen Apfelwein, die Treban als Bezahlung ausgemacht hatte.
    So früh war kaum jemand unterwegs auf den Straßen, nur in den Bäumen zwitscherten die Vögel. Als sie vor einem einfachen zweistöckigen Gebäude angekommen waren, sprang Alexander vom Kutschbock und band den Esel an einen Pfosten direkt davor.
    Die Praxis lag im ersten Stock. Dr. William Stewart, stand auf dem Schild an der Tür. Dentist. Sprechstunde von zehn bis fünf. Eine Stunde vor Sprechstundenbeginn sollten sie sich bei ihm einfinden, war es vereinbart. Jetzt war es Punkt neun, wie Mr Treban nach einem Blick auf seine Taschenuhr feststellte.
    Dr. Stewart war ein großer, hagerer Mann in einem dunklen Gehrock, der sie mit etwas mürrischer Miene begrüßte. Ein grau melierter Backenbart verlieh seinem Gesicht einen strengen Ausdruck.
    »Ich sehe, die Deutschen sind pünktlich«, sagte er auf Englisch und bat sie hinein. Inzwischen verstand Lina die Sprache ganz leidlich. »Und Sie sind tatsächlich mit der ganzen Familie gekommen.«
    Die Praxis bestand nur aus einem Raum. An der Wand waren einige Stühle für die Wartenden aufgereiht, und am Fenster stand ein hölzerner Stuhl mit Armstützen und hoher Lehne, an der eine gepolsterte Kopfstütze befestigt war. Neben dem Stuhl waren ein Schrank und ein niedriges Tischchen zu sehen.
    Dr. Stewart öffnete eine Schublade und holte einige Instrumente mit perlmutternen Griffen heraus, die er auf dem Tischchen ablegte.
    »Wer zuerst?«, fragte er, verschränkte die langen Finger ineinander und bog sie durch, bis sie knackten. Das leise Geräusch ließ Lina frösteln.
    »Die Mädchen«, bestimmte Treban. »Lina macht den Anfang.«
    Lina schluckte, auch wenn sie eigentlich schon damit gerechnet hatte. Und so würde sie es wenigstens schnell hinter sich haben und könnte sich danach um die Kinder kümmern. Sie warf Alexander einen Blick zu, und zu ihrer stillen Freude rang er sich tatsächlich ein kurzes Lächeln ab.
    Dr. Stewart wies auf den Stuhl am Fenster. »Dann also Mrs Treban, bitte schön.«
    Alle hatten es gehört. Lina schoss die Hitze ins Gesicht. Dachte er tatsächlich, sie wäre verheiratet? Etwa mit – Mr Treban?
    »Miss«, murmelte sie, während sie sich setzte. »Miss Salzmann. Oder einfach Lina.«
    In dem Zahnarztstuhl wurde ihr etwas mulmig, die hölzerne Lehne drückte unangenehm in ihren Rücken. Wenn er jetzt doch etwas fand …
    Es war ganz ähnlich wie damals bei Dr. Kahles, nur dass Dr. Stewart sehr viel dünner war und nicht nach Leberwurst roch. Er untersuchte ihre Zähne, dann brummte er zufrieden.
    »Alles in Ordnung, junges Fräulein, ich kann nichts finden.«
    Lina erhob sich erleichtert. Das war ja nun wirklich nicht schlimm gewesen.
    »Und nun das andere junge Fräulein.«
    Rieke setzte sich bereitwillig auf den Stuhl, während Lina sich auf dem jetzt freien Platz neben Julius niederließ. Wie die Hühner auf der Stange saßen sie hier, schoss es ihr durch den Kopf, einer neben dem anderen. Julius hatte die Hände unter seine Oberschenkel geschoben und baumelte nervös mit den Füßen. Lina beugte sich unauffällig ein Stück vor. Im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder wirkte Alexander ganz ruhig. Oder täuschte sie

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