Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
unter die Decke kroch.
Es hatte zu regnen begonnen; sie konnte die Schauer an die Hüttenwand prasseln hören und den Wind, der durch die Bäume fuhr.
Sie faltete die Hände und sprach ihr Nachtgebet. Ob sie sich hier wohlfühlen würde? Nun, sie würde zumindest versuchen, das Beste daraus zu machen.
Für einen Moment huschte ein Gedanke durch ihren Kopf. Etwas stimmte nicht. Wie ein kleiner, störender Dorn drückte es. Ein Widerspruch bei irgendetwas, was sie heute erfahren hatte.
Aber im nächsten Augenblick war sie auch schon eingeschlafen.
Kapitel 8
Lina schlug die Augen auf. Noch war im Haus alles still, aber schon leuchtete die Sonne in die kleine Kammer und malte helle Flecken auf den Boden. Der Morgen brach gerade erst an, vor ihrem Fenster hörte sie, wie sich zwei Vögel zankten. An ihrer Seite schlief Rieke noch tief und fest.
Lina wackelte mit den Zehen und gönnte sich den Luxus, noch ein paar Minuten liegen zu bleiben, bevor die Aufgaben des Tages sie bis zum Abend beschäftigen würden. Kurz darauf schlug sie die Decke beiseite, stand auf und zog sich leise an. Ein Blick noch zu Sophie, die noch selig schlummerte, dann weckte sie Rieke und ging in die Küche.
So war es fast jeden Tag. Lina stand stets als Erste auf und kümmerte sich um die Arbeiten, die am frühen Morgen anfielen. Im Ofen räumte sie die Asche mit einem langen Ast beiseite und suchte nach einem Rest von Glut. Wenn sie diese am Vorabend gut mit Holz und Moos abgedeckt hatte, ließ sich daraus ein neues Feuer entfachen, indem man vorsichtig darauf blies und dann kleine Scheite auflegte. War die Glut erloschen, entzündete sie das Feuer selbst mithilfe von Stahl, Feuerstein und einem verbrannten Leinenfetzen, der ihr als Zunder diente.
Die Einrichtung der Trebans war einfach, aber zweckmäßig. Die Wände waren unverputzt und nur in der Stube mit Zeitungen tapeziert. Neben einer aus Deutschland mitgebrachten Kommode standen selbst gezimmerte Möbel. In der Küche gab es ein Wandregal, auf dem sich Töpfe, Pfannen und Teller reihten; Zinnbecher und Besteck hingen an ein paar Haken an der Wand.
Sobald das Feuer brannte, bereitete Lina das Frühstück zu. Auf dem selbst gebauten offenen Herd kochte sie Haferbrei und setzte Wasser für den Tee auf – nicht den teuren aus Indien, sondern einen grünen, ziemlich bitteren Aufguss aus den getrockneten Blättern des Manukastrauchs. Mit etwas dunklem Mauritiuszucker gesüßt, schmeckte er allerdings ganz brauchbar.
Jetzt war auch Julius wach, der in der Stube schlief. Alexander hatte sich irgendwo anders einen Schlafplatz gesucht, wahrscheinlich in einem der Schuppen über den Hof. Kurz darauf erschien Rieke und brachte Sophie mit, die von Lina gewaschen und gewickelt wurde. Nach dem Frühstück begann sie mit der Hausarbeit. Sie spülte, fegte das Haus, holte Wasser, wusch, flickte Kleidung, kochte Essen und kümmerte sich um alles, was sonst noch anfiel.
Es schien, als hätte der Haushalt der Trebans nur auf sie gewartet. Oder zumindest auf eine »weibliche Hand«, wie Rudolf Treban es auszudrücken pflegte. Lina merkte schnell, dass es sich lange um einen reinen Männerhaushalt gehandelt hatte. Eine ihrer ersten Tätigkeiten war es, das gesamte Haus zu putzen. Nachdem sie ausgiebig abgestaubt und gekehrt hatte, war sie mit Rieke einen halben Tag lang damit beschäftigt, heiße Seifenlauge auf den Dielen auszuschütten und den alten Dreck mit Schwamm und Bürste fortzuscheuern. Als Lina nach dieser Plackerei mit schmerzenden Knochen aufstand, war sie dennoch glücklich, wie schön alles wieder aussah. Und auch die vielen kleinen Mücken, die sie dabei umschwirrt hatten, verschwanden nach dieser Putzaktion fast völlig.
Meist war sie beim Zubettgehen so müde, dass sie am liebsten in ihren Kleidern auf ihr einfaches Lager gesunken wäre. Oft genug gelang es ihr dann einfach nicht mehr, noch ein paar Seiten in ihrem Englisch-Lehrbuch zu lesen, obwohl sie die fremde Sprache doch so schnell wie möglich lernen wollte.
Rieke hatte es da dank Pastor Heine, der manchmal zum Essen kam, schon besser. Lina mochte den jungen Geistlichen, der mit demselben Schiff wie die Trebans nach Nelson gekommen war und sich nun um die deutschen Siedler kümmerte. In einem langen Gespräch hatte er Mr Treban davon überzeugt, dass Linas Schwester gemeinsam mit Julius die Schule besuchen durfte. Pastor Heine kümmerte sich nämlich nicht nur um das Seelenheil seiner Landsleute, sondern hatte vor Kurzem
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