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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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untergegangen und die Kerzenflamme warf ein flackerndes Licht auf ihre Näharbeit. Eine leere Weinflasche diente als Kerzenhalter. Nur wenig Wachs war an der Flasche zu sehen – die Kerze wurde nicht oft angezündet. Mr Treban legte Wert auf Sparsamkeit.
    Hin und her glitt die Nadel durch den Stoff von Julius’ Hose, an der sie einen langen Riss flickte. Erneut unterdrückte Lina ein Gähnen und lauschte mit halbem Ohr dem Gespräch der beiden Männer. Gerade ging es um ihre gemeinsame Reise mit der St. Pauli hierher, mit der auch der dicke Seip gekommen war. Offenbar hatte Seip schon auf der Überfahrt die Siedler, die seiner Obhut anvertraut waren, schikaniert. Hatte ihre Rationen gekürzt und sie zu sinnlosen Strafarbeiten herangezogen.
    »Wer hat diesen Mann eigentlich zum Agenten gemacht?«, grollte Treban. »Ich kenne niemanden, der auch nur ein gutes Haar an diesem Seip lässt.«
    »Du hast sicher recht«, gab Pastor Heine zurück. »Trotzdem war es falsch, was du auf der St. Pauli getan hast. Kein Wunder, dass Seip dich jetzt auf dem Kieker hat.«
    Treban rieb sich die Augen und blinzelte. »Du bist ein Mann der Kirche, Johann, du musst so etwas sagen. Auch die andere Wange hinhalten und all diese Dinge. Aber muss ich denn wissen, dass Seips Reben kein Salzwasser vertragen?«
    Er lachte leise und Lina sah erstaunt auf. Der knorrige Treban hatte ja manchmal sogar Humor!
    »Und wie Seip getobt hat, als er gemerkt hat, dass all seine schönen Weinstöcke eingegangen waren – allein das war es wert. Stell dir doch mal vor, Johann, wenn er auch noch angefangen hätte, hier Wein anzubauen! Mit dem Erfolg wäre er sicher noch unerträglicher geworden – auch wenn das kaum vorstellbar wäre. Nein, nein, es war schon richtig, was ich getan habe. Jeder der anderen Passagiere hat es mir gedankt.«
    Lina beugte sich weiter über ihre Handarbeit und lächelte verstohlen. Wenn sie es richtig verstanden hatte, dann hatte Seip aus Europa Weinstöcke mitgenommen, um damit im sonnigen Klima Nelsons Wein anzubauen. Nach den vielen Schikanen an Bord hatte Rudolf Treban sich dann offenbar nicht anders zu helfen gewusst und die Reben heimlich mit Salzwasser übergossen, sodass sie eingegangen waren. Die Vorstellung erheiterte Lina, auch wenn es ganz sicher nicht christlich war.
    Treban hustete, dann griff er in seine Jackentasche, tastete seine Weste ab, blickte sich um. »Lina, wo ist meine Pfeife?« Seine Stimme klang jetzt schon ziemlich verwaschen.
    Die Pfeife lag auf dem Esstisch. Lina legte ihr Nähzeug beiseite und stand auf, um ihm das Gewünschte zu bringen. Treban strömte den säuerlichen Geruch von zu viel Apfelwein aus – schon wieder hatte er mehr getrunken, als gut für ihn war.
    »Mein Kompliment, Lina.« Pastor Heine lächelte sie an, als würde er sie jetzt erst wahrnehmen. »Das wollte ich dir übrigens schon lange einmal sagen. Du hast dich wirklich gut eingelebt. Seit du hier bist, ist alles wunderbar aufgeräumt und sauber.«
    »Danke, Pastor. Ich fühle mich auch wohl hier.«
    »Ja, bist ein gutes Mädchen«, bestätigte Treban mit schwerer Zunge. »Ein … ein gutes Mädchen. Und … bist wie eine Mutter zu den Kleinen. Kann ja jeden Tag sehen, wie sie an dir hängen.«
    »Ja, das habe ich auch schon gemerkt.« Pastor Heine nickte ihr freundlich zu. »Der Mann, der dich mal heiratet, wird eine patente Frau bekommen.«
    Treban blickte auf. Seine Augen glänzten und seine Stimme schwankte, als er sagte: »Wenn hier jemand unsere Lina heiratet, dann bin ich das!«
    Lina schoss das Blut ins Gesicht.
    »Und ich werde sie auch gleich fragen.« Treban machte Anstalten, von seinem Stuhl aufzustehen, kämpfte mit dem Gleichgewicht und sank wieder zurück. »Lina! Lina, komm her! Sag, willst du mich heiraten?«
    Lina war für einige Sekunden vollkommen sprachlos.
    »Rudolf, du kannst ja nicht mehr klar denken«, versuchte Pastor Heine, die Situation zu retten. »Ich glaube, wir bringen dich ins Bett, dass du deinen Rausch ausschlafen kannst.«
    »Nein!« Treban schüttelte den Kopf. »Erst will ich eine Antwort! Also, Lina, was sagst du? Willst du mich heiraten?«
    »Das ist … sehr freundlich von Ihnen, Mr Treban«, murmelte sie dann. »Aber … ich fürchte, das geht nicht.«
    »Du willst nicht?«, fragte er. »Wieso nicht? Hast du einen anderen?«
    Ihren Dienstherrn in einem solchen Zustand zu sehen, war Lina entsetzlich peinlich. Sie hatte noch nie verstehen können, wieso die Menschen sich betranken. In

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