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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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beim Straßenbau verdiente. Auch sie selbst würde sich eine zusätzliche Arbeit suchen müssen. Manche der deutschen Frauen spannen Wolle und verkauften sie an eine Weberei. Einen Shilling am Tag bekamen sie dafür. Andere, so hatte sie gehört, bereiteten den einheimischen Flachs vor, aus dem dann Papier oder Taue hergestellt wurden. Ob sie das auch versuchen sollte? Gleich morgen wollte sie sich danach erkundigen. Vielleicht würden sogar Rieke und Julius nach der Schule dabei mithelfen können.
    Schule. Hatte Fedor Kelling ihr nicht auf der Überfahrt mit der Skjold vorgeschlagen, eine Schule zu gründen? Große Güte, wie lange war das jetzt schon her? Außerdem würde es sowieso nicht funktionieren. Hier in Nelson versah Pastor Heine diese Aufgabe, und sosehr es sie auch reizen würde, fehlten ihr dafür doch das Geld und die Möglichkeit.
    Aber wie sie es drehte und wendete: Selbst im besten Fall würde ihr Verdienst zusammen mit dem von Alexander nie und nimmer reichen, um in zwei Wochen fünfundzwanzig englische Pfund zusammenzubekommen.
    Lina hatte plötzlich das Gefühl, als würde ihr die Decke auf den Kopf fallen. Sie ging hinaus und sah nach den Hühnern, ging in den Gemüsegarten, jätete ein wenig Unkraut, versorgte die Pflanzen mit Wasser – alles Aufgaben, um die Rudolf sich gekümmert hatte und die sie jetzt auch würde übernehmen müssen. Als sie sah, wie schön und leuchtend orange die Kürbisse wuchsen, kamen ihr zum ersten Mal seit Rudolfs Tod die Tränen, und sie weinte lange um ihn. Auf seine Kürbisse war er immer besonders stolz gewesen.
    Als der Mittag näher rückte und damit die Zeit, dass die Kinder aus der Schule kamen, feuerte Lina den Herd an und bereitete ein einfaches Essen aus Kartoffeln und Zwiebeln zu. Für Alexander würde sie den Rest am Abend aufwärmen.
    Rieke und Julius ließen sich mit dem Rückweg wirklich Zeit. Vermutlich waren sie nach der Schule noch zum Aaltümpel gegangen. Oder sie schauten zu, wie in der Mühle daneben Mehl gemahlen wurde. Es gab so viele Möglichkeiten. Vielleicht waren sie aber auch am Hafen und besuchten Cordt Bensemann, der dort mit vielen anderen Arbeitern einen Segelschoner aus den Wrackteilen der Fifeshire errichtete. Möglicherweise waren sie danach noch mit Anna Bensemann, die ihrem Vater normalerweise das Mittagessen an den Arbeitsplatz brachte, nach Hause gegangen.
    Und das, während Lina hier mit dem Essen auf die beiden wartete. Sie versuchte, ihren Ärger zu unterdrücken. Seit Rudolfs Tod waren die Kinder einander noch enger verbunden und verbrachten fast jede freie Minute zusammen. Lina wollte es ihnen nicht verbieten, auch wenn es sich nicht gehörte. Sie waren beide noch so jung und sie schienen sich gegenseitig Halt zu geben. Vor allem Julius, der innerhalb von zwei Jahren beide Eltern verloren hatte, würde sie in nächster Zeit einiges nachsehen.
    Dennoch: Das Essen war gekocht und wurde kalt. Nach einer weiteren halben Stunde setzte Lina sich alleine mit Sophie zu Tisch, fütterte das Kind und aß selbst mit wenig Hunger, dann widmete sie sich dem Brotteig. Wütend knetete sie den Teig durch und formte daraus einen länglichen Laib. Na, die beiden konnten etwas erleben!
    Als sie am Nachmittag das Brot aus dem Ofen nahm, waren Rieke und Julius noch immer nicht aufgetaucht. So lange waren die beiden noch nie fortgeblieben. Ihnen war doch wohl nichts zugestoßen? Möglicherweise hatten sie Alexander getroffen und waren nun bei ihm. Ja, so war es bestimmt!
    Am liebsten wäre auch Lina zu ihm gegangen. Aber sie wusste ja gar nicht genau, wo er war. Ohnehin konnte sie hier nicht weg, denn was wäre, wenn Julius und Rieke zurückkämen und niemanden vorfänden? Und wohin mit Sophie? Die hätte sie mitnehmen müssen. Ihr blieb nichts anderes übrig: Sie würde hier warten müssen, bis alle nach Hause kamen.
    Die Stunden wurden ihr lang. Immer wieder ging sie vor bis an den Weg und blickte sich suchend um, wartete und hoffte, dass sie endlich zurückkamen. Endlich, mit Anbruch der Dämmerung, als das Licht allmählich schwächer wurde, sah sie Alexander, der müde den Weg heraufkam. Er war allein.
    Sie nahm Sophie auf den Arm und lief ihm entgegen.
    »Wo … wo ist Rieke? Und Julius?«, fragte sie atemlos, als sie ihn erreicht hatte. »Hast du sie nicht gesehen?«
    »Nein.« Er roch nach Holz und Sägemehl und wirkte erschöpft; wahrscheinlich hatte er den ganzen Tag wieder schwer gearbeitet. »Sollten sie nicht längst wieder zu

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