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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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siebzehn englische Pfund und zehn Shilling. Julius Treban, neun Jahre, acht Pfund fünfzehn Shilling. Das auf der Überfahrt geborene Kind wurde nicht berechnet.« Er blickte kurz auf, dann senkte er den Kopf wieder. »Macht zusammen dreiundvierzig Pfund fünfzehn Shilling. Gezahlt wurden bis jetzt achtzehn Pfund, bleiben noch fünfundzwanzig Pfund und fünfzehn Shilling Restschulden.«
    Lina zuckte innerlich zusammen. So viel?
    »Das haben wir nicht, und das wissen Sie«, erwiderte Alexander. Auch er wirkte plötzlich ausgesprochen hilflos. »Was ich verdiene und was wir an Obst und Gemüse verkaufen konnten, war viel zu wenig. Und jetzt hat das Begräbnis auch noch unsere letzten Reserven verschlungen.«
    Nachbarn und Freunde hatten zwar zusammengelegt und etwas dazu beigesteuert, aber das reichte bei Weitem nicht.
    Seip achtete überhaupt nicht auf ihn. »Hör zu, Karolina, du scheinst mir eine vernünftige junge Frau zu sein. Nicht so ein Heißsporn wie dein Freund hier.« Er ist nicht mein Freund, hätte Lina fast erwidert, schwieg aber. Und ein Lob von diesem Mann war nun wirklich das Letzte, was sie brauchte. »Vielleicht kannst du ihn ja zur Vernunft bringen.«
    »Aber er hat es doch schon gesagt: Wir haben das Geld nicht.«
    »Oh, aber er weiß, wie er an welches kommen könnte . Besser gesagt, an etwas, das mindestens genauso gut ist.«
    »Vergessen Sie es!«, schnaubte Alexander.
    »Dann«, Seip hob in falschem Bedauern die Schultern, »werdet ihr mit den Konsequenzen leben müssen. Zwei Wochen, das ist mein letztes Wort. Ich gebe euch noch zwei Wochen Zeit. Wenn ich dann nicht die gesamte Summe von euch bekomme, muss ich leider euer Haus beschlagnahmen. Dann müsst ihr euch eine neue Bleibe suchen. Und das dürfte schwierig werden.« Er lüftete den Hut und lächelte süffisant. »Einen schönen Tag noch.«
    Lina stand wie erstarrt, ihre Gedanken kamen nur langsam wieder in Gang. Seip wollte sie aus dem Haus werfen lassen! Ihnen allen das Zuhause nehmen! Wie konnte er nur so herzlos sein – und das so kurz nach Rudolfs Tod? So viel Schamlosigkeit machte sie sprachlos.
    Alexander dagegen hatte es nicht die Sprache verschlagen. Er fluchte und fand dabei Worte für Seip, die Lina an einem anderen Tag die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten.
    »Haben wir wirklich kein Geld mehr?«, fragte sie, nachdem er sich wieder beruhigt hatte.
    »Nein«, gab er einsilbig zurück.
    Erst jetzt ging ihr auf, dass Seip schon wieder etwas Ähnliches wie damals bei der Feier zum Nelson-Tag gesagt hatte.
    »Was hat er gemeint?«, fragte sie. »Wie könntest du an Geld oder etwas Vergleichbares kommen?«
    Aber Alexander schüttelte nur den Kopf und ließ sie stehen.
    Alle mieden das väterliche Schlafzimmer, in dem Rudolf Treban gestorben war. Lina verbrachte die Nächte wie bisher mit Rieke und Sophie in der kleinen Kammer und auch Alexander machte keine Anstalten, seinen Platz im Geräteschuppen aufzugeben.
    Lina bestand darauf, dass Rieke und Julius wieder zur Schule gingen – und zu ihrem Erstaunen fügten sie sich ohne Widerspruch. Mit gemischten Gefühlen sah sie den Kindern nach, wie sie den Weg entlanggingen, der hinunter nach Nelson führte, und aus ihrer Sicht verschwanden. Als auch Alexander aufgebrochen und Lina mit Sophie allein war, räumte sie das Frühstücksgeschirr ab und machte sich an den Abwasch. Da sie kaum noch Brot hatten, rührte sie Mehl, Wasser, Salz und Hefe zu einem Teig zusammen und stellte ihn abgedeckt zum Gehen. Dann setzte sie sich an den Küchentisch.
    Eigentlich wäre mehr als genug zu tun gewesen – in den vergangenen Tagen war viel liegen geblieben. Das Haus musste nach der Totenwache gereinigt werden, Wäsche gewaschen, ein abgerissener Saum ausgebessert werden. Und so bald wie möglich musste sie ihre Kleidung schwarz färben, um für das kommende Jahr der Trauer genug Sachen zum Wechseln zu haben. Neue Kleider konnte sie sich natürlich nicht leisten.
    Aber sie fühlte sich vollkommen kraftlos und erschöpft. Und von der Last der plötzlichen Verantwortung schier erdrückt. Mit Rudolfs Tod war alles noch schwerer geworden. Jetzt waren Alexander und sie nur noch zu zweit, um sich um alles zu kümmern – und um den Untergang abzuwenden.
    Seips Drohung schwebte wie ein düsteres Damoklesschwert über ihnen allen. Alexander wollte heute Vormittag am Hafen und im Sägewerk am Maitai-Fluss nach Arbeit fragen, die mehr Geld einbrachte als die üblichen zehn Shilling pro Woche, die er

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